Silberband 093 - Abschied von Terra
Milchstraße verlassen, ehe der Plan der Laren vollendet war. Anhand von Schätzungen hatte er den Zeitpunkt festgelegt, an dem Hotrenor-Taak seinen Triumph vollenden würde. In spätestens vier Standardtagen, vermutete Vigeland, würden die Projektoren ihre Arbeit aufnehmen.
Die VERDENKAAR hatte den Kugelsternhaufen M13 passiert und den Linearflug für eine Orientierungspause in der Nähe des Legga-Systems beendet. Damit war die Grenze der Milchstraße erreicht, nicht aber sein Ziel. Im Leerraum Richtung Andromeda gab es einige Stationen, auf denen er – wenigstens für begrenzte Zeit – überleben konnte. Der Milchstraße am nächsten war die Hundertsonnenwelt, doch sie schied für Nos Vigeland aus. Zum einen war er sich nicht sicher, ob die Posbis ihn freundlich behandeln würden, zum anderen hielt er es für wahrscheinlich, dass die Laren in absehbarer Zeit dort auftauchen würden.
Da er nicht bereit war, sein Leben dem geringsten Risiko auszusetzen, wollte er sich in einem verlassenen Weltraumbahnhof der Maahks verkriechen. Lookout-Station lag gewissermaßen im Nahbereich der Milchstraße. Dort glaubte er vor den Laren sicher zu sein, bis die Gegebenheiten in der Milchstraße sich zum Besseren wandten.
Vigeland strich zufrieden über die beiden Zellaktivatoren, die er nun trug. Irgendwann musste der Spuk auch wieder zu Ende gehen, sagte er sich. Und wenn er das nicht erwarten konnte, wer dann?
Es störte ihn nicht, dass er mindestens einem Dutzend verschiedener Personen diesen zweiten Aktivator versprochen hatte. Wenn es so weit war, würden sie sich bis aufs Messer bekämpfen. Wem er dann den Aktivator übergab, war für Vigeland vorerst kein Problem.
Ein Hologramm stabilisierte sich. Für Sekunden zeigte es nur die Kommandozentrale der VERDENKAAR, dann schob sich Brai Santor ins Bild. Der Pilot wirkte sichtlich aufgeregt. Hinter ihm war das Stimmengewirr so laut, dass Vigeland kaum ein Wort verstand.
»Seid ihr alle verrückt geworden?«, brüllte er wütend.
Santor machte eine hilflose Geste, geriet halb aus dem Erfassungsbereich und tauchte kurz darauf wieder auf. Diesmal verstand Vigeland, was der Pilot sagte.
»Wir haben etwas geortet!«
»Na und?«
»Etwas Fremdes. Wir können es nicht einordnen – aber es bedroht uns!«
Vigeland runzelte unwillig die Stirn. Was sollte dieser Unsinn? Die VERDENKAAR war sein letztes Schiff, und die Besatzung hatte früher einer Elitegruppe angehört. Gewiss, viele waren inzwischen zu alt geworden. Junge Leute hatten ihre Plätze eingenommen, dennoch sollte es in der Milchstraße nichts geben, was diese Raumfahrer dermaßen in Panik versetzen konnte.
»Wie sieht dieses Fremde aus?«, fragte er.
»Es ist – nein, ich kann es nicht beschreiben. Es kommt näher. Wir haben Sonden losgeschickt, sie sind explodiert, bevor sie dieses komische Ding erreichten.«
»Zeig es mir!«, verlangte Vigeland. »Justiere die Optik so, dass sie den Panoramaschirm erfasst!«
Ein vager Verdacht drängte sich ihm auf, aber er wies ihn energisch zurück. Wenn er erst anfing, seinen eigenen Leuten zu misstrauen, hatte er endgültig verloren.
Das Bild wechselte. Nur wenige Sterne waren noch zu sehen, Andromeda hing wie ein rotierendes Rad im Nichts. Zahlreiche diffuse Lichtflecken kennzeichneten andere, weiter entfernte Galaxien.
»Können Sie es erkennen, Sir?«, fragte Santor hoffnungsvoll.
»Nein«, knurrte Vigeland. »Sind Sie sicher, dass da draußen überhaupt etwas existiert? Vielleicht bilden Sie sich nur etwas ein.«
Santor schwieg ziemlich lange. »Sie wollen andeuten, dass wir an Halluzinationen leiden«, stellte er endlich fest. »Ich wäre froh, wenn Sie Recht hätten. Aber kann eine Halluzination ein Beiboot vernichten?«
Nos Vigeland hatte das kurze Aufblitzen gesehen. Erst jetzt erfasste er die Bedeutung dieser Erscheinung. Aber noch schwankte er. Vor allem, weil er sich fragte, was da draußen los sein konnte. Eine neue teuflische Erfindung der Laren? Vigeland traute den Vertretern des Konzils so ziemlich alles zu. Hatten sie am Beginn der Straße nach Andromeda eine Falle errichtet? Die Frage war, weshalb er auf dem Panoramaschirm nichts erkennen konnte.
»Ich komme!«, stieß er ungehalten hervor und rückte den Waffengurt zurecht. Er entsann sich kaum, wann er ihn zum letzten Mal abgelegt hatte. Wenn er schlief, lagen beide Strahler griffbereit neben ihm. Als Aktivatorträger brauchte er ohnehin nicht sonderlich viel Schlaf. Er hatte sich an diesen
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