Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
war und dort einen Kanal in Richtung des Fjords entließ. Die Senke bedeckte einen Teil des früheren Stadtgebiets.
Das Gefühl, das Bosketch durchströmte, war unbeschreiblich. Er spürte ein nahezu unwiderstehliches Verlangen, einfach den steilen Hang hinabzuspringen und den Umweg über die gewundene Straße zu sparen. Im letzten Augenblick besann er sich, dass er des Glücks niemals teilhaftig werden würde, wenn er sich den Hang hinabstürzte.
Laut gellte sein Schrei: »Wir sind am Ziel! Folgt mir!«
Wie ein Gebilde von himmlischer Schönheit ragte der gewaltige Damm vor ihnen auf. An den Ruinen der alten Stadt Namsos vorbei eilten sie den Damm entlang. Im Hintergrund sah Glaus einen sanft ansteigenden Hang, auf dem drei riesige schwarze Gebilde ruhten. Raumschiffe, schoss es ihm durch den Sinn. Aber der Gedanke blieb nicht haften. Er war bedeutungslos.
Eine Gruppe fremdartiger Wesen erschien wie aus dem Boden gewachsen. Sie trugen nichts als ein schwarzes, stacheliges Fell und einen breiten Gürtel um den Leib. Von ihrer Stirn leuchtete ein riesiges, grellblaues Sehorgan.
Ohne auf die Fremden zu achten, stürmten Bosketch und seine Begleiter in das finstere Innere eines flachen, fensterlosen Gebäudes. Dort hielten sie an, atemlos und erschöpft. Ihr neues Glück war zum Greifen nahe.
Aus dem Dunkel ertönte ein melodisches Summen. Es wurde lauter. Dann kam das sanfte Licht aus dem Nichts und verdichtete sich zu einem kugelförmigen Gebilde, in dem bunte Nebel wallten. Schwerelos schwebte die Kugel in dem weiten Raum. Die Nebel verzogen sich, und eine menschliche Gestalt wurde sichtbar – so unbeschreiblich schön, dass allen der Atem stockte. Wie gebannt starrten sie auf den Fremden, der weder Mann noch Frau war und mit gnädigem Lächeln auf sie herabblickte.
Festigkeit und zugleich Sanftmut schwangen in seiner Stimme.
»Ich, die Kleine Majestät, begrüße euch an der Quelle des Wohlbefindens. Ihr seid meinem Ruf gefolgt, denn ich bin ein wohlwollender und sanftmütiger Herr. Es wird euch leicht fallen, meine Befehle zu erfüllen. Bezeugt mir eure Botmäßigkeit, indem ihr ruft: Sanaa …!«
Glaus Bosketch beugte die Stirn und rief: »Sanaa …!« Mit ihm riefen alle anderen, auch die Kinder.
»Viel ist es nicht, was ich von euch verlange«, fuhr die Gestalt in der leuchtenden Kugel fort. »Siedelt euch in diesem Tal an, wie ihr es gewohnt seid. Die Männer mit den schwarzen Pelzen sind ebenfalls meine Diener. Wendet euch an sie, wenn ihr Hilfe braucht. Einmal am Tag versammelt euch in dieser Halle. Zusammen mit mir werdet ihr rufen: ›Sanaa! Wir sind die Einsamen, die Zurückgebliebenen. Wir rufen unsere Brüder und Schwestern in der Weite des Alls. Kehrt zurück! Kehrt zurück!‹ Das ist alles. Benennt mir euren Anführer! Er soll sich erheben und mich anblicken.«
Glaus Bosketch stand auf. Ehrfürchtige Schauder krochen ihm über den Rücken, als er von Angesicht zu Angesicht dem leuchtenden Fremden gegenüberstand.
»Nenne mir deinen Namen!«
»Ich bin Glaus Bosketch … o Engel des neuen Glücks!« Es wäre ihm wie eine Lästerung vorgekommen, hätte er nur die nackte Antwort gegeben. Er suchte nach einer Anrede für das herrliche Wesen – und ›Engel des neuen Glücks‹ war das Erste, was ihm in den Sinn kam.
Das leuchtende Wesen neigte gnädig den Kopf. »Glaus Bosketch, ich sehe dich. Du sollst der Einzige sein, der mich unmittelbar anrufen kann. Missbrauche diese Gnade nicht und bediene dich ihrer nur, wenn du keinen anderen Ausweg siehst. Dann aber komm in diese Halle und rufe nach mir. Nenne mich so, wie du mich eben genannt hast!«
Die Kugel verblasste. Es wurde finster, bis der Ausgang sich öffnete.
Walik Kauk, Kaiser und Gott …
In achthundert Kilometern Höhe zog die HÜPFER über die grüne Landschaft von Intermezzo dahin. Douc Langur, der Forscher der Kaiserin von Therm, kauerte auf dem Sitzbalken und beobachtete die Kontrollen. Walik Kauk blickte durch den transparenten Bug nach draußen.
Seit einem Jahr lebten die Frauen und Männer der TERRA-PATROUILLE auf Intermezzo, siebzehn Lichtjahre von der Erde entfernt. Sie hatten Unterkünfte gebaut und Pläne geschmiedet, es aber nicht unterlassen, auf die Umgebung ihres Verstecks ein wachsames Auge zu haben. Denn es war damit zu rechnen, dass die Raumschiffe der Hulkoos eines Tages angreifen würden.
Ein Jahr lang hatten Jentho Kanthall und seine Leute mit dem Gedanken gelebt, dass Intermezzo nur eine
Weitere Kostenlose Bücher