Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
erfahrene Moykrina ignorierte die Unhöflichkeit des Mannes.
»Ich begrüße dich, Barlo«, sagte sie freundlich.
»Hallo, Gralsmutter!«, gab der Mann lässig zurück.
Moykrina ließ ihre Blicke durch den ungepflegten Garten wandern. »Wie fühlst du dich, König der Disteln?«
»Ich kann nicht klagen, Gralsmutter.« Seine Zunge fand einen zweiten Kern und beförderte ihn ins Freie.
»Ich kann mir nicht denken, dass du glücklich und zufrieden bist, Barlo«, sagte die Gralsmutter unerschütterlich. »Weißt du nicht, dass man die Weisheit eines Kelsiren an seinem Garten erkennen kann?«
»Ich bescheide mich mit dem Glück und der Weisheit meiner Nachbarn«, erklärte Barlo ebenso listig wie unmissverständlich.
Bevor Moykrina antworten konnte, spürte sie über ihren Kristall den Ruf der Kaiserin. Auch Dnathia und Barlo reagierten, nur nicht so heftig und unmittelbar. »Wir werden das alles später erörtern«, sagte die Gralsmutter. »Die Kaiserin ruft uns. Ich muss mich jetzt beeilen, denn es schickt sich nicht, dass die Gralsmutter zuletzt eintrifft.«
Aus allen Hütten kamen Kelsiren und bewegten sich in Richtung des Dorfplatzes. Moykrina war sich der Tatsache bewusst, dass der Ruf der Kaiserin nicht nur an ihren Stamm, sondern an alle Kelsiren auf Drackrioch ergangen war.
Kurze Zeit später hatten sich alle Dorfbewohner einschließlich der Gralsmutter und ihrer Töchter um den Arm der Kaiserin versammelt.
Obwohl die Anordnungen eindeutig waren, bereiteten sie Moykrina Kopfzerbrechen. Bevor die Kelsiren gelernt hatten, ihre geistigen Kräfte auf das Wachstum von Früchten anzuwenden, hatten sie ihre Nahrung mit Hilfe mentaler Signale angelockt. Längst diente diese Fähigkeit nur noch dazu, gefährliche Tiere in Fallen zu locken.
Aber nun verlangte die Kaiserin, dass die Kelsiren ihre Locksignale in den Weltraum aussandten. Der Sinn dieser Anordnung war Moykrina nicht klar, aber die Kaiserin musste schließlich wissen, was sie verlangte.
Kosmogenese VII
Irgendwann kam ein Raumschiff der Choolks in die Nähe des Systems der Kaiserin von Therm. Die Besatzung empfing die Lockungen der Kelsiren und erlag ihnen, der Kommandant gab den Befehl, das Schiff auf dem dritten Planeten zu landen.
Kaum hatten die Choolks ihr Schiff verlassen, erschienen die Kelsiren und hängten jedem von ihnen einen Kristall der Kaiserin von Therm um. Die Choolks erwiesen sich als leicht zu beeinflussende und zuverlässige Wesen.
Mit der Landung des ersten Schiffes war die Grundlage für den Aufbau einer Mächtigkeitsballung geschaffen. Im Verlauf vieler Jahrtausende lockten die Kelsiren immer wieder Schiffe an, und bald transportierten Dutzende von Choolk-Raumschiffen Kristalle der Kaiserin zu den entlegensten Welten des von ihr beanspruchten Gebiets.
Um eine Neuauflage der soberischen Katastrophe verhindern zu können, dehnte die Kaiserin von Therm ihren Herrschaftsbereich immer weiter aus.
Eines Tages jedoch machte die Kaiserin aufgrund der ihr aus allen Regionen ihrer Mächtigkeitsballung zufließenden Informationen eine bestürzende Entdeckung. Sie war nicht die einzige Wesenheit, die über eine große Zahl von Völkern herrschte. Ihre Grenzen berührten das Gebiet einer anderen Superintelligenz. Der Konkurrent hatte sich aus völlig anderen Gründen ausgebreitet und war nicht bereit, die Motivation der Kaiserin von Therm anzuerkennen. Und er war nicht allein!
Die Kaiserin von Therm musste erkennen, dass es eine Vielzahl von Superintelligenzen gab, die ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen versuchten. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, das eigene Reich abzusichern und vor allen denkbaren Übergriffen zu schützen … Die Kaiserin beschloss, dass ihre Leibwache aus Choolks bestehen sollte.
Vergangenheit VI
Der Sinn der Mission war Hopzaar, dem Kommandanten der aus sechs Einheiten bestehenden Flotte von Choolk-Schiffen, von Anfang an verborgen geblieben. Er ärgerte sich darüber und dass sein Protest von der Kaiserin ignoriert worden war, hatte sich schließlich aber gefügt – nicht zuletzt deshalb, weil ihm der Kristall auf der Brust keine andere Wahl gelassen hätte.
An Bord der sechs Schiffe befanden sich insgesamt dreitausend Choolks. Sie waren durch ein Ausleseverfahren der Kaiserin als Teilnehmer an der Mission bestimmt worden. Daran und an der Entfernung, die sie überwinden mussten, erkannte Hopzaar, wie sehr der Kaiserin an einer Erfüllung des Auftrags gelegen war.
An Bord des Flaggschiffs
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