Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
Äslinnen: Wenn ich einen Moment stillstehen kann, öffne ich sogar die Innenschleuse.
Binnen einer einzigen Sekunde führten die Bewusstseine den Dialog. Die Erschütterungen ebbten wieder ab. Äslinnen schloss den Helm und nahm, so gut es ihm eben möglich war, die nötigsten Kontrollen vor. Alles funktionierte, und den lästigen Geruch, den der nie getragene Raumanzug verströmte, bemerkte Äslinnen nicht einmal. Tief atmete er die scheinbar frische Luft ein und fühlte sich dabei wie ein Taucher, der aus großer Tiefe an die Oberfläche zurückkehrte.
Einem plötzlichen Entschluss gehorchend, öffnete er die Schleuse zum Hangar über die Handsteuerung. Die Atmosphäre entwich fauchend, dann war der Spalt so groß, dass Äslinnen den gemeinsamen Körper hindurchzwängen konnte. Drei vorsichtige Schritte machte er in die Halle hinaus – und dann sah er die Sterne. Sie leuchteten durch das zerrissene, von deformierten Stahlteilen bedeckte Gittergerüst der Außenwandung. Ein ausgeglühtes Loch, nicht weniger als fünf Meter durchmessend, befand sich genau dort, wo es einmal zwei funktionsfähige Schleusentore gegeben hatte.
Natürlich wartete keine Space-Jet in dem Hangar. Abgesehen von kleineren Trümmerstücken war er leer.
Hubert Kelassny: Die sarkastische Betrachtungsweise scheint doch die richtige gewesen zu sein. Ein veritabler Kampf hat stattgefunden.
Pynther Äslinnen: Ich versuche, etwas zu erkennen. Vielleicht können wir Signale geben!
Er ging geradeaus. Die künstliche Schwerkraft funktionierte merkwürdigerweise noch einwandfrei. Mehrmals stieß er gegen herumliegende Trümmer, dann hielt er sich an einem Wandfragment fest und starrte hinaus in den Weltraum.
Abd el Pumán: Dieses Panorama der Sterne ist atemberaubend. In diesem Sektor bieten sich ideale Beobachtungsmöglichkeiten. Aber ihr habt mich ja nicht ein einziges Mal in das Observatorium gehen lassen!
Chung Lo: Ich habe den Eindruck, einer der Sterne bewegt sich!
Äslinnen blickte suchend in die Richtung, die ihm der Hinweis des anderen Bewusstseins gezeigt hatte. Es war tatsächlich ein winziger, grünlich glühender Lichteffekt, der sich auf einer schräg nach oben zielenden Bahn näherte. Im Kern dieser Leuchtblase schimmerte etwas, das wie ein Diskus aussah. Wie weit dieses Raumfahrzeug entfernt war, konnte der Positronikspezialist nicht abschätzen, dazu fehlten ihm Größenvergleiche. Noch während er das vermeintliche Schiff beobachtete und überlegte, wie er sich bemerkbar machen könnte, schrie N'kamo Fassa: »Funken! Helmfunk auf größte Reichweite schalten!«
Äslinnen reagierte nicht darauf. Von irgendwo über seinem Standort und von weiter rechts zuckten Energiebahnen auf und schlugen dem Diskusschiff entgegen. Dort blitzte es ebenfalls grell. Weil der Schutzschirm aufloderte, aber auch, weil die Geschütze des Diskusschiffs zurückfeuerten.
Der Gedanke war noch nicht zu Ende gebracht, als die gegnerischen Energiebahnen in der Nähe des Hangars einschlugen.
Blendende Glut überall. Strahlträger zerbarsten in entsetzlicher Lautlosigkeit. Verkleidungsplatten wurden zusammengestaucht, ehe sie sich losrissen und wie Papierfetzen davonwirbelten. Die meisten Trümmer wirbelten von der Station weg, gerieten in den Schussbereich und verglühten wie auflodernde Sternschnuppen in der Atmosphäre eines Planeten.
Äslinnen hörte sich ins Helmmikrofon brüllen: »Aufhören! Die Station wird von einem defekten Rechner geleitet … Ich bin allein. Helft mir, ich bin wirklich ein Mensch – hier in einem leeren Hangar …«
Die anderen Bewusstseine hatten sich abgekapselt. Nur Äslinnen erduldete die Angst, die der Körper miterlebte. Ein jäher Ruck ließ ihn den Halt verlieren, und dann schwebte er plötzlich hilflos durch den halb zerstörten Hangar.
Die künstliche Schwerkraft war ausgefallen. In nächster Nähe schienen Speicherbänke kritisch zu werden, denn eine Wand des Hangars glühte auf, und Sekunden später zerplatzte sie in einem Regen weißglühender Fragmente.
Etwas wirbelte den Körper herum und schleuderte ihn wie einen Ball durch die Einschussöffnung in den Schleusentoren. Der nächste Energieschuss riss den Hangar weiter auf.
Pynther Äslinnen war immer noch allein, als er, halb geblendet und am Rand seiner Beherrschung angelangt, die Orientierung wiederfand.
Der Körper war zusammengekrümmt wie ein Embryo und überschlug sich um mindestens zwei Achsen. Die Sterne tanzten jedenfalls einen irrwitzigen
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