Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
dich.«
»Ein faszinierendes Gesprächsthema. Was Chung Lo für die Pumpe ist, bin ich für die Unterhaltung, wie?«
»Auf dem Raumhafen befindet sich eine noch funktionierende, sehr kleine, aber gut ausgestattete Medoklinik. Vielleicht kann die Automatik dir helfen.«
»Inwiefern, David?«
»Die Wahrheit ist in manchen Fällen unbequem, aber sie ist meistens ehrlich. Du würdest sozusagen eine Auskunft von berufener Seite erhalten.«
Kelassny zuckte die Achseln. »Von mir aus, gern. Wie kommen wir dorthin? Und bringe ich die anderen Kolonisten damit in Verlegenheit?«
»Nein, sicher nicht. Niemand, der nicht unbedingt muss, konsultiert diese Station. Sie ist zu wertvoll, als dass sie für jeden aufgeschnittenen Finger aufgesucht werden würde. Wir wissen nicht, wie lange sie noch funktionieren wird.«
Hubert Kelassny nickte nachdenklich.
Die Hoptiquags galoppierten entlang sorgfältig gepflegter Felder. Hubert Kelassny hatte sich bereits an diese Art der Fortbewegung gewöhnt und genoss den Ritt an der Seite der schönen Frau sogar.
»Was hast du wirklich mit mir vor, Tobby?«, wollte er wissen.
»Nichts – außer vielleicht die Wahrheit über dich zu erfahren. Ich kann mir vorstellen, dass sogar Hubert Kelassny daran interessiert ist.«
»Wie wahr.« Er lächelte sie an.
Sie umrundeten einen Bereich der ehemaligen Abfertigungsgebäude des Raumhafens und bogen auf einen schmalen Pfad ein. Hier kam der Dschungel bis dicht an die Gebäude heran, aber viele Stämme waren gefällt worden und lagen abholbereit gestapelt da.
Ganz in der Nähe band Tobby beide Hoptiquags an, dann führte sie ihren Begleiter in einen überraschend gut erhaltenen Bereich der einstigen Abfertigungshallen. Es roch förmlich nach Sauberkeit.
»Hier arbeiten noch einige Roboter«, sagte Tobby und schwieg dann, während sie durch endlos anmutende Korridore liefen. Schließlich öffnete sie die Tür zu einem nicht sehr großen Raum und deutete auf den schweren Spezialsessel, der hier stand.
»Lege dich dort hinein! In drei bis vier Stunden wissen wir dann mehr.«
Hubert Kelassny warf ihr einen unsicheren Blick zu. Er fürchtete sich nicht vor dem Ergebnis der psi-analytischen Anlage, war selbst sogar äußerst gespannt darauf. Er argwöhnte nur, dass die Maschine der Belastung nicht standhalten würde.
»Ich warte«, sagte Tobby.
Hubert nahm Platz und schaute zu der halbkugeligen Haube auf, die sich langsam über seinen Kopf und die Schultern senkte.
Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen, begleitet von gelegentlichen summenden Lauten, bis endlich ein Foliendrucker Ergebnisse ausspuckte. Langsam und gründlich las Tobby die medizinische Auswertung, dann reichte sie das Blatt weiter. »Die Wahrheit, Hubert. Doch sie erklärt nichts.«
Auf gewisse Weise war Kelassny enttäuscht. »Vermutlich bin ich, sind wir, ein neues Exemplar«, sagte er. »Wenn deine Berichte über das Phänomen der Aphilie richtig sind, und ich zweifle nicht daran – dann kann es sein, dass der Mehrfachmensch ein neuer Versuch der Evolution ist. Aber ich selbst und meine sechs schweigenden Freunde wissen nichts davon.«
Dreizehn Tage und Nächte vergingen viel zu schnell. Chung Lo setzte seinen Ehrgeiz daran, alles zu reparieren, was ihm unter die Finger kam. Jeden Tag vollbrachte er ein neues kleines Wunderwerk. Hin und wieder erschien Pynther Äslinnen, führte frustrierte Gespräche und bemängelte das Fehlen all dieser nützlichen Dinge wie Fusionsmeiler, Positroniken, Roboter oder Schaltanlagen größeren Formats. Einmal verschwand Abd el Pumán in tiefer Nacht zu einer Art Beobachtungsgang, um die Sterne zu betrachten, aber die Moskitos jagten ihn zurück ins Bett. Tamoe Pheuch schien sich verkrochen zu haben, er übernahm nur zwei- oder dreimal den Körper. Fassa und Delgiudice verhielten sich sogar völlig passiv. Kelassny war demnach, ohne sich anstrengen zu müssen, der Herr des Körpers geworden.
Besonders jetzt. Flüchtig quälte ihn der Gedanke, dass ihn in der nächsten Zeit ein unfreiwilliger Zuschauer stören könnte. Er saß nämlich auf dem breiten Sims in Tobbys Zimmer, hielt die junge Frau im Arm und küsste ihren Nacken.
»Ich fühle mich keineswegs als höhere Existenzform«, flüsterte er an ihrem Ohr. »Ich glaube, es ist ganz normal, was wir tun.«
Sie sagte überraschenderweise: »Ich habe Angst, Hubert.«
»Wovor?« Seine Finger streichelten ihren Körper. Auch an so etwas hatte er keine Erinnerungen. Aber er war
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