Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
Vielleicht plante ES, alle menschlichen Bewusstseine auszustoßen und hierher zu schicken. Es war denkbar, dass die Ausführung dieses Planes davon abhing, wie Vanne und die anderen sich zurechtfanden.
Wenn diese Überlegung richtig war, gab es Terra nicht mehr, denn die Erde wäre der natürliche Platz für die Menschheit gewesen.
Nachtfalter dagegen war ungeeignet, so fremdartig, dass es gewaltiger Anstrengungen bedurft hätte, um diese Welt für Menschen bewohnbar zu machen.
Als Kmunah sich langsam von dem Gebäude entfernte, entdeckte er die Silhouetten zweier menschenähnlicher Gestalten. Er blieb wie angewurzelt stehen. Einer der Fremden musste mit jenem Wesen identisch sein, das er unmittelbar nach dem Start der Flugscheibe gesehen und das ihn zum Abspringen aufgefordert hatte.
Gab es also andere Menschen auf Nachtfalter?
Kmunah war sicher, dass die beiden ihn beobachteten, aber er war offensichtlich nicht das kompetente Bewusstsein für eine Begegnung, denn nun kam Ankamera in den Vordergrund.
Die Biologin fühlte sich überfordert. Am liebsten hätte sie einen Kontakt hinausgezögert, um über verschiedene Dinge nachzudenken. Sie blickte zu der Flugscheibe hinüber und sah, dass das Pelzwesen freigekommen war. Es hockte neben der Maschine und schien den Ereignissen kein Interesse abzugewinnen. Das war eine grundlegende Veränderung seines Verhaltens.
Hatte das Wesen sich selbst befreit, oder war es von den beiden Unbekannten gerettet worden? Hatten sie erreicht, dass der hartnäckige Verfolger seine Feindseligkeiten einstellte?
Ankamera wäre am liebsten geflohen, doch sie befürchtete, dass dann sofort eines der anderen Bewusstseine diese Flucht verhindert hätte. Ich muss herausfinden, ob die beiden ebenfalls Bewusstseine aus ES sind, die ihre Körper aus dem Hyperraumreservoir erhalten haben, dachte die Biologin. Sie ertappte sich dabei, dass sie Vanne imponieren wollte. Er sollte erkennen, dass sie ebenso gut mit seinem Körper umgehen konnte wie er.
So, wie er sich in ihrem Bewusstsein darstellte, gefiel er ihr. Auch wie er handelte, imponierte ihr. Mein Gott, dachte sie, während ihr die Röte ins Gesicht kroch, ich kann mich doch nicht in ein Bewusstsein verlieben!
Auch dieses Gefühl verwandelte sich in einen Erfahrungswert, an dem die sechs anderen – Vanne ebenfalls – teilhaben konnten. Ankamera war davon zumindest überzeugt, und das steigerte ihre Verlegenheit. Am liebsten hätte sie sich zurückgezogen, aber kein anderes Bewusstsein war da, um ihre Stelle einzunehmen.
Sie ergriff die Flucht nach vorn und ging auf die beiden Gestalten zu. Im Licht, das aus der Senke kam, sah Ankamera, dass sie keine Menschen sein konnten. Ihre Gesichter waren zu glatt, ihre Körper zu ebenmäßig. Äußerlich waren sie völlig identisch.
Natürlich sind sie Roboter!, dachte Indira Vecculi, die in diesem Augenblick wieder die führende Rolle übernahm.
Es fiel ihr schwer, sich auf die Fremden zu konzentrieren, denn ihre Empfindungen ließen den gemeinsamen Körper beben. Was dachte Ankamera sich eigentlich dabei, einen mentalen Flirt mit dem wichtigsten Bewusstsein anzufangen? Kershyll Vanne war das Bewusstsein, das in Notfällen den Körper lenkte. Ihn zu verwirren kam einer Schwächung des Körpers gleich.
Ankamera hatte einfach kein Recht dazu, Vanne in dieser Form zu bewundern, zumal vor dem Bewusstsein des altklugen Jungen. Zu dem Säufer Pale Donkvent kam nun auch noch eine Frau, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Die Gefahr, dass die überhastet geschaffene Einheit der sieben Bewusstseine in die Brüche ging, war nicht zu leugnen.
Dann würde sie eben mit so verlässlichen Mitgliedern der Gruppe wie Kmunah und Guduka zusammenarbeiten, dachte Indira trotzig, obwohl ihr nicht ganz klar war, wie sie eine derartige Selektion in die Realität umsetzen sollte.
Trotz ihres Grolls vergaß sie nicht, warum sie nun das Kommando besaß. Als Positronikerin kam sie vor allen anderen in Betracht, die Roboter zu untersuchen. Hatte ES von ihrer Anwesenheit gewusst?
Vielleicht war irgendwann ein EXPLORER in diesem Raumsektor gewesen, hatte Nachtfalter erforscht und die beiden Automaten zurückgelassen. Allerdings musste es sich um Spezialroboter handeln. Indira kannte die Modelle der Solaren Flotte, und solche Typen waren nicht darunter. Es hatte jedoch, vor allem in der voraphilischen Zeit, Privatfirmen gegeben, zum Beispiel die Whistler Company, die Roboter im Spezialauftrag hergestellt
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