Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
hatten.
Vor den beiden Gestalten blieb Indira stehen und blickte in ihre glatten Gesichter. Sie sahen aus … wie gemalt! Indira fand den Vergleich, der ihr spontan einfiel, sehr zutreffend. Zugleich kamen ihr Zweifel, ob es sich tatsächlich um von Menschen produzierte Roboter handelte. Vielleicht war die Ähnlichkeit nur zufällig.
Trotzdem ergriff sie die Initiative.
»Zeigt mir euren Willen zum Gehorsam!«, verlangte sie anstelle einer Begrüßung. »Zitiert die Robotergesetze!«
Sie gewann den Eindruck, dass ihre Forderung einige Verblüffung auslöste, obwohl das Mienenspiel der Unbekannten nichtssagend blieb.
Mit wohlklingender Stimme antwortete eines der Wesen: »Erstes Gesetz: Kein Roboter darf ein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass ein menschliches Wesen Schaden erleidet. Zweites Gesetz: Ein Roboter muss allen von menschlichen Wesen gegebenen Befehlen gehorchen, es sei denn, solche Befehle stünden in Widerspruch zum ersten Gesetz. Drittes Gesetz: Ein Roboter muss sich selbst schützen, solange er damit nicht gegen das erste oder das zweite Gesetz verstößt.«
»Richtig«, sagte Indira unsicher.
»Diese Gesetze wurden übrigens von einem terranischen Wissenschaftler und Science-Fiction-Autor namens Isaac Asimov ausgearbeitet und später in der Kybernetik übernommen«, fügte ihr Gegenüber hinzu. »Isaac Asimov wurde am 2. Januar 1920 in Petrowsk geboren und kam als Dreijähriger in die damaligen Vereinigten Staaten von Nordamerika. Er promovierte an der Columbia-Universität zum …«
»Halt!«, unterbrach Indira den Redeschwall mit schwacher Stimme. »Ihr habt mich überzeugt. Wer seid ihr, und wie kommt ihr hierher?«
»Mein Name ist Wastor«, entgegnete der Sprecher. »Mein Begleiter ist Klamous. Woher wir exakt kommen, entzieht sich unserer Kenntnis.«
»Ein Roboter vergisst nichts, es sei denn, das betreffende Programm wäre gelöscht worden.«
»Niemand sagt, dass wir Roboter sind«, entgegnete Wastor sanft.
In diesem Zusammenhang fiel Indira Vecculi schlagartig ein, dass die von ihr geforderte Gehorsamsbezeigung ausgeblieben war.
Trotz seiner besonderen Fähigkeiten war ES nicht in der Lage, das kontrolliert abgegebene Konzept ständig zu beobachten oder gar zu steuern. Hätte das in seiner Macht gelegen, hätte ES sich die Entsendung der Homunkuliden Wastor und Klamous ersparen können.
Auf seiner Existenzebene war ES an Spielregeln gebunden. Ebenso musste darauf geachtet werden, dass es zu keinen Zusammenstößen mit ebenbürtigen Mächten kam. Daran war ES gewöhnt und handelte entsprechend. Derzeit jedoch waren die Zustände in ES alles andere als normal.
Neben jener nicht genau bekannten Anzahl von Bewusstseinen, die zu jeder Zeit in ES vereinigt waren, drängten sich jetzt zusätzlich zwanzig Milliarden menschlicher Egos in unerträglicher Enge. Der unvorstellbare mentale Druck war eine Belastung, der ES bisher nur wie durch ein Wunder standgehalten hatte. Dementsprechend war das Wunder keineswegs vollkommen. ES hatte nicht verhindern können, dass sich unkontrolliert Bewusstseine abgespalten hatten. ES hatte sie unter großen Anstrengungen zurückgeholt.
Nun endlich hatte ES gezielt ein Konzept zusammengestellt, mit einem Körper versehen und auf einem eigens dafür ausgesuchten Kunstplanetoiden materialisiert. Für ES stellte das nur die erste Stufe dar. Früher oder später brauchte die Menschheit, die ES in sich aufgenommen hatte, um sie vor dem Zugriff einer anderen Superintelligenz zu retten, eine neue Heimat.
ES schloss nicht aus, dass die Erde durch Manipulationen BARDIOCs an ihre derzeitige Position gebracht worden war. Dies war allerdings ein Verdacht, der sich erst bestätigen musste. ES war sich darüber im Klaren, dass es die Zukunft der Menschheit nur in einem bestimmten Maße beeinflussen durfte. Bisher hatte das fast immer zu positiven Entwicklungen geführt, und das war nicht zuletzt Perry Rhodan zu verdanken.
ES konnte sich vorstellen, wie verzweifelt dieser Mann über die aktuelle Entwicklung sein musste. Im Gegensatz zu ihm wusste ES, wohin der Weg der Menschheit führen sollte – jedenfalls kannte ES diesen Weg bis zu einem bestimmten Punkt.
Und was lag dahinter? Es war müßig, darüber nachzudenken.
ES fühlte, wie sich die gewaltige Anzahl von Bewusstseinen in seinem geistigen Verbund regte. Alle drängten nach draußen. ES konnte das verstehen. Unter normalen Bedingungen hätten die Bewusstseine ihren
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