Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
halten.
Vanne vernahm ein fernes Rauschen. Es war nicht gleichmäßig, sondern kam in Intervallen. Der Verdacht drängte sich auf, es könnte sich um eine Art Botschaft handeln.
Kershyll Vanne blieb stehen – und im gleichen Augenblick wurde er von der Lenkung des Körpers verdrängt.
Indira Vecculi nahm die Gelegenheit wahr, sich einen direkten Eindruck von den Geräuschen zu machen. Als Neurobio-Positronikerin war sie am ehesten in der Lage, den Sinn einer fremdartigen Nachricht zu entschlüsseln.
Sie hielt Vannes Vorgehen grundsätzlich für falsch, und sie hätte, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, sofort andere Maßnahmen ergriffen. Sie wusste jedoch längst, dass sie nur so lange die Führung behalten konnte, wie es im Interesse der Gesamtkonzeption notwendig erschien. Der Versuch, einem fremden Wesen, das sich zudem feindlich verhalten hatte, trotz der eigenen Schwierigkeiten zu helfen, erschien ihr absurd. »Reine Gefühlsduselei!«, murmelte sie und erschrak prompt vor dem männlichen Klang ihrer Stimme.
Sie entsann sich, dass sie und die anderen Bewusstseine in Vannes Originalkörper existierten. Ihrer Ansicht nach hatte ES mit der Vermischung maskuliner und femininer Bewusstseine in einem männlichen Körper einen Fehler begangen. Außerdem war da noch dieses Kind, dieser Jost Seidel. ES hätte seine Wahl nicht ausschließlich nach den erlernten Fähigkeiten der Bewusstseine treffen dürfen, wie es wohl geschehen war.
Psychische Gegebenheiten hatten allem Anschein nach keine Berücksichtigung gefunden. Wie sonst war es denkbar, dass sie, die auch unter den Aphilikern hochgeachtete Wissenschaftlerin, mit einem Säufer wie Pale Donkvent in einem Körper zusammenleben musste?
Indira Vecculi war überzeugt davon, dass sie längst nicht alle Nachteile kannte. Die würden sich erst mit der Zeit herausstellen, und sicher stand dann eine Reihe unangenehmer Überraschungen bevor.
Dank ihres vereinigten Wissens stellten die sieben Bewusstseine ein einmaliges Konzept dar, aber das war schon alles.
Trotz ihrer Unzufriedenheit vergaß Indira nicht ihre Aufgabe und ließ die Geräusche aus den Tiefen des Bauwerks auf sich einwirken. Bald stellte sie fest, dass die Intervalle rhythmisch waren. Falls es sich tatsächlich um eine Nachricht handelte, dann wurde diese regelmäßig wiederholt. Und sie war für andere Wesen gedacht als ausgerechnet für sieben in einem menschlichen Körper vereinigte Bewusstseine!
Die Wissenschaftlerin war überzeugt davon, dass der Lärm erst nach ihrem Eindringen in dieses Monument begonnen hatte. Wenn es ein Alarmsignal war, diente es vielleicht dazu, unbekannte Bewacher herbeizurufen.
Indira setzte den Körper, den sie nicht als ihren eigenen akzeptieren konnte, wieder in Bewegung. Sie wunderte sich, dass ihr die motorische Steuerung keine Schwierigkeiten bereitete und dass selbst das vegetative System seine unbewussten Aufgaben ausführte, egal, ob Vanne oder ein anderes Bewusstsein das Kommando innehatte. Das ließ auf eine völlige Integration aller Bewusstseine schließen. Es bedeutete aber zugleich – und diese Vorstellung eröffnete fantastische Konsequenzen –, dass ein menschlicher Körper in der Lage war, für mehr als nur ein Bewusstsein da zu sein.
Konnte ein einzelner Körper eine unbegrenzte Anzahl von Bewusstseinen aufnehmen? Die Vorstellung, zwanzig Milliarden Menschen in einem Körper als eine Art Superinkarnation wiederzufinden, ließ Indira vorübergehend schwindlig werden. Aber letztlich glaubte sie nicht, dass so etwas möglich sein könnte.
Die Wand, an der sie sich entlanggetastet hatte, war mit einem Mal zu Ende. Ein fauchendes Geräusch ließ Indira zusammenfahren, dann wurde sie von gleißend grellem Licht geblendet, und eine unwiderstehliche Kraft schleuderte sie zu Boden. Aber als der Körper aufprallte, war es bereits wieder Kershyll Vanne, der sich geschmeidig abrollte.
Als Klamous und Wastor in Endetal ankamen, entdeckten sie mit Hilfe ihrer körpereigenen Peilanlagen die Flugscheibe, auf der das Konzept aus der Festung entkommen war. Zu ihrer Überraschung fanden die beiden Androiden einen völlig erschöpften Wächter unter dem Rad. Mit Hilfe ihrer Antigravprojektoren befreiten sie ihn aus seiner misslichen Lage und versuchten ihm zu erklären, wer sie waren.
Poog dez Nowarth, so nannte sich der Wächter, war so erleichtert über seine Rettung, dass er alle Erklärungen akzeptierte, obwohl er sie mit Sicherheit nicht
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