Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
stehen und drehte sich um. Sein Gesicht verzerrte sich, seine dunklen Augen funkelten vor Zorn. »Demütigen wollten sie uns, uns auf die Knie zwingen und sagen: Seht! So winzig seid ihr!«
Piet Alfrat schwieg weiterhin. Diese Worte hatte er vermutlich zu oft gehört und wusste nicht mehr, was er darauf antworten sollte. Alles, was er je dazu gesagt hatte, war Wegenrat sowieso nicht recht gewesen.
Der Ingenieur drehte sich wieder um und eilte weiter. Es schien ihm Spaß zu machen, mehrere Stufen auf einmal zu nehmen und immer schneller zu werden, bis er ganze Treppenabsätze übersprang.
»Hör auf!«, brüllte Alfrat. »Du brichst dir die Knochen.«
Wegenrat hielt keuchend inne. Er wartete, bis Piet Alfrat bei ihm war. »Manchmal muss ich toben«, sagte er. »Ich muss einfach rennen, weil ich spüre, dass ich sonst verrückt werde.«
»Du spinnst. Wenn du dir hier die Beine brichst, ist es aus mit dir. Du weißt, wie miserabel unser medizinische Versorgung ist. Medikamente haben wir kaum, und die wenigen, die wir haben, werden für die Jungen reserviert.«
»Ist ja schon gut.« Er winkte missmutig ab. »Wer will so etwas schon hören. Meine Knochen sind in Ordnung, so schnell brechen sie nicht.«
»In deinem Alter sind die Knochen nicht mehr so stabil, Jaan. Sie verlieren Kalk und …«
»Vielleicht ist es so«, unterbrach der Ingenieur den ehemaligen Kollegen hitzig. »Und wenn es so ist, dann wandert bei mir der Kalk aber nicht ins Gehirn. Das wolltest du doch andeuten – oder?«
Piet Alfrat lachte. Er schüttelte den Kopf. »Nicht so aggressiv, Jaan! Lass uns lieber überlegen, ob wir unseren Plan irgendwie verwirklichen können.«
Wegenrat runzelte die Stirn. Er gab einen unwilligen Laut von sich, drehte sich um und eilte weiter. Erst als er den Ausgang des Gebäudes erreicht hatte, blieb er stehen und wartete, bis Alfrat aufschloss.
»Wie stellst du dir das vor?«, wollte er wissen. »Hast du eine Idee?«
»Ich habe eine gute Idee gehabt«, sagte der Nukleartechniker.
»Gehabt? Dann ist alles wieder weg? Wenn du so vergesslich bist, solltest du dir alles Wichtige aufschreiben.«
»Ich habe es nicht vergessen, Jaan. Ich wollte sagen, dass ich einen guten Einfall gehabt habe und daraufhin in den Minenunterlagen gelesen habe. Mich interessierten die letzten Tage vor der Arbeitseinstellung.«
»Und, was hast du gefunden?«, fragte Wegenrat elektrisiert. Er packte den Jüngeren an der Schulter und schüttelte ihn. »Heraus damit! Sag schon!«
»Immer ruhig. Wenn du so schnell den Verstand verlierst, Jaan, suche ich mir einen anderen Partner.«
Betroffen ließ Wegenrat die Hände sinken und verschränkte sie sicherheitshalber hinter dem Rücken. »Also schön, großer Meister«, spottete er. »Ich höre, und ich bin ganz ruhig.«
»In den letzten Arbeitstagen wurde eine Space-Jet ins Bergwerk gebracht. Der Diskus sollte direkt unten nach einer neuen Verlademethode versorgt werden. Doch das Experiment wurde nie abgeschlossen. Jedenfalls steht nichts davon in den Speichern.«
»Das würde der Fall sein, wenn man das Experiment beendet hätte«, stimmte Wegenrat zu. Er brachte die Hände wieder nach vorn. »Du meinst also, wir sollten in den Berg gehen, die Space-Jet suchen und mit dem Schiff starten?«
»Das meine ich.«
»Ein verwegener Gedanke, das gebe ich zu. Glaubst du wirklich, dass wir das schaffen können? Die erwischen uns, bevor wir Goorn II verlassen haben.«
»Die kriegen uns nicht so leicht. Wir können warten. Ein paar Tage mehr oder weniger spielen keine Rolle. Sobald der Zeitpunkt günstig ist, starten wir. Ich garantiere dir, dass wir es schaffen.«
Jaan Wegenrat lächelte schief. »Und wenn nicht, spielt das keine Rolle. Lieber auf die Weise vor die Hunde gehen als länger hier bleiben. Ich habe das restlos satt.«
»Du bist also dabei?«
»Selbstverständlich. Gehen wir gleich ins Bergwerk?«
»Ich wusste, dass du mit Elan an die Geschichte herangehen würdest«, sagte Alfrat begeistert, während er neben dem Ingenieur hereilte. »Kannst du überhaupt mit einer Space-Jet umgehen?«
»Mann, ich habe den Erste-Klasse-Schein. Wenn du willst, bringe ich dich durch die gesamte Galaxis, ohne irgendwo anzustoßen.«
Die beiden Männer durchquerten die Stadt. Es war ein mühsamer Marsch durch die zum Teil mit Trümmern übersäten Straßen. Transportmittel gab es nicht. Die wenigen Geräte, die die kleine Kolonie auf Goorn II noch hatte, waren für wichtige Anlässe reserviert.
Weitere Kostenlose Bücher