Silberband 096 - Die Gravo-Katastrophe
die anderen auf etwas zu warten, was vielleicht nie eintrat. Sie schwamm bis ans Ufer und kletterte aus dem Wasser.
Etwas Unsichtbares übte hier Druck auf ihren Geist aus. Quasutan sah sich um, doch sie konnte nicht mehr klar erkennen, was um sie herum war. Sie sah, dass einige Kanäle ins Innere der Insel führten, wo sich eine Art Becken auszubreiten schien. Aus einer Nebelbank ragten zwei mächtige schwarze Gebilde auf, wie Dorls sie nie zuvor gesehen hatten. Es waren künstliche Körper von wahrhaft gigantischen Ausmaßen. Sie erschienen Quasutan wie drohende, die Insel beherrschende Wächter.
Sie fragte sich, ob von diesen riesigen elliptischen Erscheinungen jene geheimnisvolle Kraft ausging, die alle Dorls zu dumpf vor sich hin brütenden oder sinnlos handelnden Geschöpfen werden ließ. In dem Moment tauchten wie aus dem Nichts drei fremdartige Gestalten vor ihr auf. Sie waren etwa so groß wie sie selbst, aber völlig schwarz. Quasutan empfand spontan Abscheu vor diesen Wesen, deren Körper zudem mit Stacheln bedeckt waren. Vor allem hatte jedes nur ein einziges großes Auge von strahlend blauer Farbe.
Quasutan erholte sich schnell von ihrem Erschrecken, als sie sah, wie schwerfällig die Fremden sich bewegten. Dass diese Wesen keine Tiere waren, bewiesen die breiten Gürtel um ihre Hüften. Darin steckten Geräte, deren Sinn und Funktion der Dorl rätselhaft blieben.
»Was wollt ihr von mir?« Sie bemerkte erst jetzt, dass sie als Einzige die Insel betreten hatte. Alle anderen hielten sich weiterhin im Wasser auf.
Quasutan hatte nicht erwartet, dass die Fremden ihr antworten würden. Umso überraschter war sie, als es ihr entgegenhallte: »Wir wollen mit dir reden. Hab keine Angst und bleib ruhig stehen.«
Sie fürchtete sich nicht. Sie fühlte sich überlegen, weil sie nicht wie die anderen Dorls beeinflusst werden konnte. Die Strahlung, die von der Insel kam, glitt wirkungslos an ihr ab.
Die drei Stachelhäuter rannten plötzlich überraschend behände auf sie zu. Quasutan erfasste, wie sehr sie sich geirrt hatte, warf sich herum und flüchtete zu den Klippen. Doch sie schaffte es nicht.
Einer ihrer Verfolger riss sie so heftig herum, dass sie zu Boden stürzte, einer der anderen richtete ein fremdartiges Gerät auf sie. Erschaudernd blickte Quasutan in ein rot glühendes Auge. Sie wusste nicht, was der Stachelhäuter da in der Hand hielt, aber sie begriff, dass ihr Leben an einem dünnen Faden hing. Mit einer Demutsgeste zeigte sie, dass sie ihren Widerstand aufgeben wollte.
»Steh auf!«, befahl einer der Fremden, und sie gehorchte. Die anderen Dorls saßen auf den Felsen und schienen überhaupt nicht wahrzunehmen, was geschah.
Entmutigt ließ Quasutan sich von den Stachelhäutigen wegführen.
Ihre anfängliche Furcht legte sich bald. Die Fremden bestraften sie nicht, sondern geleiteten sie zu einem schwarzen Kasten, der sich wie von Geisterhand bewegt erhob und sie alle zu den riesigen schwarzen Gebilden brachte.
Quasutan beruhigte sich vollends, als sie feststellte, dass die elliptischen Gebilde nichts anderes als Häuser waren. Ihr fiel sofort auf, dass es im Innern künstliches Licht gab. Das war ein Grund, sich den Fremden überlegen zu fühlen, denn sie selbst konnte sich sogar im Dunkeln orientieren.
Schließlich betraten sie einen Raum, in dem sich zwanzig weitere Fremde aufhielten. Über die Funktion der Sitzmöbel wurde Quasutan sich sofort klar. Unverständlich blieben ihr nur die vielen Fenster, die dicht nebeneinander lagen, aber dennoch verschiedene Bilder zeigten, als könne man durch sie in weit entfernte Räume blicken.
Ein Stachelhäuter, der einen höheren Rang einnahm, schickte ihre Begleiter mit energischer Geste weg. »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte er freundlich.
»Nein«, gestand Quasutan. »Ein seltsames Haus ist dies.«
»Ein Haus, das fliegen kann. Bis hin zu den Sternen.«
Quasutan fühlte sich, als habe sie ein Blitz getroffen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen jagten Hunderte Gedanken durch ihren Kopf. Sie haben sich verirrt, dachte sie schließlich und triumphierte innerlich. Sie wissen nicht mehr, wo sie sind. Sie kommen von den Sternen, aber sie haben vergessen, von welchem!
Plötzlich war für sie alles klar. Sie hatte keinen Grund, sich zu fürchten. Was auch immer die Fremden auf Lusamuntra gesucht hatten, nun wollten sie in ihre Heimat zurück, konnten das aber nicht, weil sie die Orientierung verloren hatten.
Also brauchten sie
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