Silberband 096 - Die Gravo-Katastrophe
gegeben.«
Nicht nur in Skandinavien, sondern auch andernorts auf der Erde war der Vulkanismus wieder im Vormarsch. Weil NATHAN die Aktivitäten, die mit der Klimakontrolle und den Instabilitäten in der Erdkruste zusammenhingen, bislang nicht wieder aufgenommen hatte. Es stand zu befürchten, dass die seismischen Phänomene sich im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre zu einem Problem ersten Ranges auswachsen würden. Als wolle das glutflüssige Innere der Erde sich dafür rächen, dass es jahrhundertelang einem strengen Regime hatte gehorchen müssen.
»Sucht die Frau die Ruinen von selbst auf?«, fragte Walik.
»Manchmal ja, manchmal nein«, antwortete Marboo. »Wir können uns darauf nicht verlassen und müssen sie folglich an Ort und Stelle locken.«
»Geht das, ohne dass wir von den anderen gesehen werden?«
»Es lässt sich machen.«
»Gut. Das Gebäude stürzt also ein, die junge Frau wird von den Trümmern begraben.«
»Natürlich nicht wirklich«, verbesserte ihn Marboo. »Selka befindet sich in einem abgedeckten Hohlraum, gemeinsam mit Augustus. Er räumt die Abdeckung weg und lässt gerade so viel Schutt nachrutschen, dass alles echt aussieht. Dann macht er sich aus dem Staub.«
»Die anderen von Bosketchs Gruppe eilen herbei …«
»Von wegen eilen!« Marboo seufzte. »Die stehen dem Tod ziemlich gleichgültig gegenüber. Sie werden langsam herangeschlendert kommen, sobald sich herumgesprochen hat, dass Selka in der Ruine ist.«
»Man findet sie?«
»… in todesähnlicher Starre. Niemand wird bezweifeln, dass sie von dem einstürzenden Mauerwerk erschlagen wurde.«
»Und dann?«
»… wird sie beerdigt. Verscharrt, besser gesagt. Bosketchs Leute geben sich mit ihren Toten schon gar keine Mühe. Ein Loch, etliche Hand voll Erde drauf, fertig!«
Walik sah sie zweifelnd an. »Und das soll das neue Glück sein?«
»Sogar in Reinformat!«, bestätigte Marboo.
»Was gibt es bei der Sache für mich zu tun?«
»Genau dasselbe wie für Bluff und mich: aufpassen, dass wir nicht gestört werden.«
»Den Rest besorgt Augustus?«
»So ist es.«
Walik Kauk schaute auf die Uhr. »Ich nehme an, wir brechen bald auf.«
»Sofort. Wir müssen vor Ende der Dunkelheit an Ort und Stelle sein und dürfen erst zurückkehren, wenn es wieder dunkel ist.«
19.
Der kleine Gleiter absolvierte zwei Flüge, um die Gruppe ans Ziel zu bringen. Es gab vier alte Lagerhäuser, das südlichste war für den Einsturz präpariert worden. In dem benachbarten Gebäude wurde der Gleiter versteckt. Walik Kauk, Marboo und Bluff Pollard bezogen ihre Posten. Walik hockte in einer Wandnische in unmittelbarer Nähe eines Fensters, dem längst der Rahmen abhanden gekommen war. Wenn er sich nach vorn beugte, hatte er einen weiten Überblick über den Wall und die Senke hinweg bis hinab zum eisblauen Wasser des Fjords. Durch einen Mauerspalt sah er Augustus, der sich im Nachbargebäude postiert hatte.
Die Sonne ging auf. Es würde wieder ein warmer Vorfrühlingstag werden. In der Nähe des Walles arbeiteten Hulkoo-Roboter. Walik konnte nicht erkennen, was sie taten.
Wenn er in sich hineinhorchte, vernahm er deutlich die mentalen Impulse der Kleinen Majestät, die Bosketch und seine Freunde in ihren Bann gezwungen hatte. Er selbst nahm die Signale zwar wahr, aber die Mentalstabilisierung verhinderte, dass er der Kleinen Majestät zum Opfer fiel. Wie alle anderen Mitglieder der TERRA-PATROUILLE – Augustus ausgenommen – hatte er die Gehirnoperation über sich ergehen lassen müssen.
Das Warten wurde langweilig. Erst gegen halb drei vernahm Walik Kauk von dort, wo Bluff postiert war, einen halblauten Ruf. Glaus Bosketch und seine Leute hatten ihren täglichen Spaziergang begonnen.
Walik schob sich nach vorne und blickte aus dem Fenster. Er schätzte die Gruppe auf etwa sechzig Personen. Es waren viele Kinder darunter. Eines schien das neue Glück überreichlich zu bescheren, und das war Nachwuchs.
Das Herumklettern in den Hügeln wurde den Leuten bald zu viel. Sie schwenkten nach Süden ab und kamen auf die Lagerhäuser zu. Walik Kauks Anspannung wuchs mit jeder Sekunde. Er stellte fest, dass die Wanderer sich nicht unterhielten. Jeder schritt für sich selbst mit leerem Blick dahin. Sie bewegten sich beinahe wie Roboter, und es erschien Walik rätselhaft, warum sie überhaupt eine Gruppe bildeten.
Eine junge Frau war inzwischen hinter der Menge zurückgeblieben. Da sie sich äußerst langsam bewegte, wuchs der Abstand
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