Silberband 096 - Die Gravo-Katastrophe
ernst nehmen musste. Von Athosien wanderten seine Gedanken zu Raphael und weiter zu NATHAN. Die riesige Inpotronik, die im Lauf der Jahrhunderte eigene Intelligenz entwickelt und sich damit vom Geschöpf der Menschheit zu ihrem Verbündeten gemausert hatte, war mit dem Sturz der Erde in den Schlund inaktiv geworden.
Seitdem waren einige Jahre verstrichen. Raphael – so sah es Reginald Bull – hatte bewirkt, dass NATHAN einen geringen Teil seiner Tätigkeiten wieder aufnahm. Da aber endete sein Verständnis. Warum hatte die Inpotronik sich nicht vollständig reaktivieren lassen? Der Einwand, dass sie von den Hulkoos unweigerlich angepeilt worden wäre, überzeugte nur zum Teil.
Die Entwicklung der jüngsten Zeit war noch unverständlicher. NATHAN musste zur Kenntnis genommen haben, dass die Tätigkeit der drei Männer aus der SOL den Interessen der Menschheit diente. Wie konnte er also zulassen, dass ein Fremder eindrang, der offensichtlich nur auf den eigenen Vorteil aus war? Und wie ließ sich erklären, dass NATHAN seit der Ankunft des Fremden den dreien gegenüber sogar eine feindselige Haltung einnahm? Was veranlasste ihn, Athosien zu begünstigen?
Nach reiflicher Überlegung kam Reginald Bull zu dem Schluss, dass es nur zwei denkbare Erklärungen gab. Entweder war eine Entwicklung im Gange, an der Grukel Athosien wesentlichen Anteil hatte und von der weder Bull, noch Danton, noch Waringer etwas wussten, oder NATHAN hatte den Verstand verloren.
Mit sich selbst im Unreinen, wie der Verstand einer inpotronischen Rechenmaschine zu definieren sei, neigte Bull nichtsdestoweniger der letzteren Erklärung zu. Dadurch wurde seine Aufgabe leichter. Er brauchte nur den Lauf des Schockers entlang der Tunnelwand auszurichten und zu warten, bis Athosien erschien.
Reginald Bull richtete sich auf ein langes Warten ein.
Grukel Athosien ging davon aus, dass alle Ausgänge der Schaltzentrale von seinen Gegnern überwacht wurden. Er hatte ihre Waffen gesehen, weitreichende Schocker. Sobald er die Zentrale verließ, würden sie das Feuer auf ihn eröffnen. Sieben Bewusstseine feiten ihn nicht gegen die Wirkung einer Lähmwaffe.
Wahrscheinlich überwand ein Konzept die Wirkung eines Schockertreffers leichter als jeder Normalmensch. Athosien besaß keine Erfahrung in dieser Hinsicht, aber er war gewillt, es darauf ankommen zu lassen.
»Ich habe an deinen Überlegungen teilgenommen«, meldete sich Tetschino. »Du unterschätzt den Gegner noch immer!«
»Poncar, du gehst mir allmählich auf die Nerven!«
»Gut, ich werde dich nicht mehr belästigen. Aber wenn die Saat der Inkompetenz aufgeht, werde ich mich wieder melden.«
»Wie ich schon beim letzten Mal sagte«, wandte Salien Ol à Tamor ein, »lass dich von ihm nicht beeindrucken! Er ist ein Rechthaber und bildet sich etwas darauf ein, dass sein mathelogisches Genie nie versagt hat. Ich bin sicher, dass alle anderen mit deinem Plan vollauf einverstanden sind.«
»Gewiss doch«, pflichtete Sassola bei.
»Ich habe keine Bedenken«, erklärte Nebort Alcotes.
»Immer zu«, ermunterte Veyto Balaschy.
Das siebte Bewusstsein meldete sich zum ersten Mal zu Wort und formulierte einen allen verständlichen Gedanken innerhalb des Überlappungsbereichs. Es war ein seltsamer Gedanke, mehr ein Hauch, ein sanfter Impuls, in dem Hingebung schwang. »Fantastisch!«, vernahm Grukel Athosien. Die Äußerung verwirrte ihn. Er wartete auf mehr – aber anscheinend war Mara Avusteen nicht geneigt, mehr von sich zu geben.
Grukel hätte sich gerne mit ihr befasst. Er wollte sie fragen, warum sie als einziges der Mitbewusstseine bisher so wenig in Erscheinung getreten war. Er wollte wissen, was sie bewegte und ob es die Gegenwart sechs männlicher Bewusstseine war, die sie daran hinderte, sich auszudrücken. Aber die Zeit drängte. Draußen warteten drei auf ihn, die entschlossen waren, ihn aufzuhalten. Und auf Goshmos Castle warteten andere darauf, dass er sich meldete.
»Wir werden unseren Jägern scheinbar in die Falle gehen«, erklärte er seinen Mitbewusstseinen. »Aber vorher gibt es noch etwas Wichtiges zu tun.«
20.
Sie hatten Selka Mychon in eine der Medostationen gebracht und mit ihrer Behandlung begonnen. Aber schon jetzt ließ sich die Angelegenheit alles andere als vielversprechend an. Die junge Frau war nicht wieder zu sich gekommen, als die Wirkung der Injektion schwand, die Augustus ihr gegeben hatte. Sie verharrte im Zustand suspendierter Animation. Der Medoroboter
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