Silberband 098 - Die Glaswelt
sodass Bjo seine Vermutung bestätigt sah. Doch schon Atlans erste Worte bewiesen ihm, dass er sich getäuscht hatte.
»Jeder kennt unsere vier Freunde«, eröffnete der Kommandant. »Die Forscher haben viel für uns und dieses Schiff getan, und wir haben allen Grund, ihnen dankbar zu sein. Doch von nun an wollen sie ihre eigenen Wege gehen. Douc, bitte begründen Sie Ihre Absichten, Sie können das besser als ich.«
Douc Langur trat neben Atlan. Vielleicht, dachte Bjo, kommt es jetzt zu einem Geständnis.
Doch Langur pfiff in den Translator: »Dies ist die Stunde des Abschieds! Wir werden die SOL verlassen und unsere eigenen Wege gehen.«
So war das also! Bjo verzog grimmig das Gesicht. Die vier hatten den Kristall in ihren Besitz gebracht und bereiteten ihren Abgang hochoffiziell vor. Er musste sein Verlangen unterdrücken, auf Langur zuzugehen und ihm die Wahrheit zu sagen.
»Sie alle wissen, dass wir uns in einem Dilemma befinden«, fuhr Langur fort. »Wir kennen weder unsere Herkunft noch unsere Identität. Die Frage, ob wir Roboter oder organische Wesen sind, ließ sich bisher nicht klären. Deshalb haben wir beschlossen, intensivere Nachforschungen anzustellen.«
»Wir hätten Ihnen dabei helfen können!«, rief Ras Tschubai.
»Dieses Angebot wissen wir zu würdigen, und wir empfinden tiefe Dankbarkeit«, erklärte Douc Langur.
Bjo fragte sich, ob der Vierbeinige das ehrlich meinte oder ob seine Worte reine Heuchelei waren. Auf jeden Fall war der Forscher gerissener, als er es für möglich gehalten hätte. Douc Langur war im Begriff, die Elite der SOL an der Nase herumzuführen.
»Sie haben Ihre eigenen Probleme.« Douc Langur wedelte mit seinen Sinnesorganen. »Natürlich würden Sie uns helfen, doch das würde unsere moralische Schuld Ihnen gegenüber nur weiter vergrößern.«
In der Tat!, dachte Bjo mit einer Mischung aus Ärger und widerwilliger Anerkennung. Dieser Douc Langur war ein Komödiant ersten Ranges.
»Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir uns eines Tages wiedersehen«, stellte Langur in Aussicht.
»Es zerreißt mir das Herz!«, entfuhr es Bjo.
Kaum, dass er den Satz ausgesprochen hatte, bereute er ihn auch schon, denn sicher war niemandem in der Zentrale der spöttische Unterton entgangen. Er sah, dass alle ihn anstarrten, und das Blut schoss ihm in den Kopf.
»Bjo, du bist unseren Freunden gegenüber nicht fair!«, rief Atlan erstaunt.
Er schluckte heftig. »Es tut mir leid. Ich hatte gerade eine Auseinandersetzung mit einigen jungen Radikalen unter den SOL-Geborenen. Deshalb bin ich noch aufgeregt.«
Die Forscher machten einen irritierten Eindruck, sodass Bjo einen zwar einsamen, aber befriedigenden Triumph empfand, sie in ihrer Gelassenheit empfindlich gestört zu haben. Allerdings gewann Langur sofort seine Souveränität zurück.
»Zwischen Bjo Breiskoll und mir gab es immer ein gutes Verhältnis«, erklärte er. »Daran werde ich mich lange erinnern.«
»Ich werde Sie auch nie vergessen, Douc«, versicherte Bjo und registrierte amüsiert, dass Douc Langur die Doppeldeutigkeit der Bemerkung wohl begriffen hatte.
Eine grandiose Abschiedsszene folgte, wie Bjo sie bestenfalls in einem kitschigen Bühnenstück erwartet hätte. Doch auf eine geheimnisvolle Weise gelang es den Forschern, dem Vorgang jede Peinlichkeit oder Abgeschmacktheit zu nehmen. Sie machten sogar einen würdevollen Akt daraus. Besonders schlimm war es für Bjo, feststellen zu müssen, dass es in den Mentalimpulsen der Extraterrestrier keine Hinweise darauf gab, dass dies alles nur ein oberflächliches Schauspiel war.
Langur, Poser, Daloor und Kaveer verabschiedeten sich wie von herzensguten Freunden und schienen keinen Augenblick daran zu denken, dass sie diese gerade bestohlen hatten.
Jeder in der Zentrale wurde von den Forschern mit den Greifklauen betätschelt und mit Lobespfiffen bedacht. Bjo wusste, dass er sich nicht von dieser Zeremonie ausschließen konnte. Als Langur schließlich vor ihm stand, gelang es ihm, dem Forscher zuzulächeln.
»Sie sind ein kluger Mensch«, pfiff Langur. »Ein Mensch mit erstaunlichen Fähigkeiten, den man gern zu seinen Freunden zählt. Ich bedaure, dass wir uns jetzt trennen.«
Bjo sah ihn abschätzend an.
Langur schien mit sich zu kämpfen, aber schließlich gab er sich einen merklichen Ruck und stapfte auf das nächste Besatzungsmitglied zu.
Der Spuk dauerte über eine halbe Stunde, dann zogen sich die Forscher auf die HÜPFER zurück. Mentro Kosum, der Dienst
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