Silberband 098 - Die Glaswelt
wir könnten das Erwachen der Inkarnation nicht rechtzeitig bemerken?«
»So ist es!«
Corello beugte sich im Sitz nach vorn. »Was geschieht, sobald wir wirklich wissen, was sich innerhalb der Sphäre befindet? Begnügen wir uns damit, es herausgefunden zu haben?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Rhodan. »Ich werde versuchen, einen Kontakt herzustellen und mit der Inkarnation zu verhandeln.«
»Verhandeln? Was könnte der Gegenstand eines solchen Gespräches sein?«
»Das Schicksal der Erde und der Menschheit. Wir haben eine Einigung mit der Kaiserin von Therm erzielt. Warum sollte das mit BARDIOC nicht möglich sein?«
»Die Kaiserin von Therm war aus bestimmten Gründen an uns interessiert«, erinnerte Corello. »Das bedeutet, dass sie die Initiative ergriffen hatte, um mit uns in Verbindung zu treten. BARDIOC hat wohl keine ähnlichen Absichten. Deshalb ist es absurd, anzunehmen, wir könnten mit ihm verhandeln. Wir sind bestenfalls Randfiguren für ihn.«
»Das war vielleicht so«, widersprach Rhodan. »Nun haben wir seine Inkarnation als Geisel, und ich bin sicher, dass das in der Geschichte seiner Machtausdehnung ein einmaliger Vorgang ist.«
Corello schaute ihn erschrocken an. »Du siehst die ganze Sache als eine Herausforderung an! Als eine Herausforderung an eine Superintelligenz.«
Der Terraner antwortete nicht, aber sein Schweigen war beredter als viele Worte.
Corello entfernte sich mit seinem Tragerobot wieder. Zweifellos würde er das Gesagte für sich behalten, doch früher oder später würden andere ähnliche Schlüsse ziehen.
In diesem Augenblick geschah es.
Perry Rhodan hatte das Gefühl, dass ein Stromstoß durch sein Gehirn zuckte. Er blieb wie angewurzelt stehen und war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Entsetzt registrierte er, dass alle im Lagerraum anwesenden Besatzungsmitglieder wie erstarrt wirkten. Auch die Mutanten waren davon betroffen.
Er spürte, dass sich fremde, alles erdrückende Gedanken in sein Bewusstsein drängten. Das war für ihn, den Mentalstabilisierten, ein ungewohnter und erschreckender Vorgang. Er fühlte sich von einer Macht überwältigt, der die als unüberwindbar geltende Blockade in seinem Gehirn kein Hindernis bedeutete.
Die erloschene Sphäre im Zentrum der Halle veränderte sich. Damit wurde der Verdacht, dass die Inkarnation zurückschlug, zur schrecklichen Gewissheit. Das Behältnis der Wesenheit schien sich auszudehnen, die Hülle glättete sich, alle Deformationen verschwanden. Zugleich baute die Sphäre ihre Aura fluoreszierenden Leuchtens auf, im Inneren erhellte sich das Medium, in dem die Inkarnation schwebte.
Rhodan sah, dass sich eine Gestalt von atemberaubender Schönheit in der Flüssigkeit oder dem Gas aufhielt. Sie schien schwerelos darin zu schweben. Es war ein nackter, geschlechtsloser Mensch.
Er wollte sich zum Weitergehen zwingen und unternahm zugleich übermenschliche Anstrengungen, um Befehle zu rufen, aber seine Beine und die Stimme versagten ihm den Dienst. Eine nie gekannte Angst ergriff von ihm Besitz. Gleichzeitig hoffte er, dass die Besatzung außerhalb der Sicherheitszonen nicht betroffen war.
Aber das sollte sich schnell als Trugschluss herausstellen.
Die Inkarnation hatte mit einem Schlag die Kontrolle über alle denkenden Wesen an Bord der SOL-Zelle-1 ergriffen.
Mit einer Ausnahme: Preux Gahlmann!
3.
D ie Stimme kam aus dem Nichts und dröhnte durch den Lagerraum. Sie schien alles zu durchdringen, und es war sicher kein Zufall, dass sie über Normalfunkverbindung sogar die beiden abge koppelten Schiffszellen erreichte.
»Ihr habt es gewagt, die Inkarnation gefangen zu nehmen! Ihr habt ihren vorübergehenden Zustand der Schwäche ausgenutzt und bereits triumphiert. Doch ihr habt es nicht länger mit CLERMAC, VERNOC und SHERNOC zu tun. Die vierte Inkarnation ist erwacht. Ihr befindet euch in der Gewalt von BULLOC.«
Jedes Wort traf Perry Rhodan wie ein körperlicher Schlag. Obwohl er beinahe gelähmt dastand und vergeblich um seinen freien Willen kämpfte, konnte er objektiv über seinen Zustand nachdenken und begreifen, was um ihn herum geschah. Das machte die Entwicklung umso schlimmer. Wäre er in dumpfe Bewusstlosigkeit verfallen, hätte er nicht über die Konsequenzen dieser unerwarteten Niederlage nachdenken müssen. Im Augenblick war er eine willenlose Marionette, die sich über ihr Schicksal klar wurde.
Seine Verzweiflung wuchs. Er trug die Verantwortung dafür, dass die Inkarnation an Bord
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