Silberband 098 - Die Glaswelt
und das einsame Wesen in der Sphäre hatte eine Bewusstseinsspaltung vollzogen. Aus CLERMAC war VERNOC hervorgegangen. Diese beiden hatten, je nach Situation, BARDIOCs Gegner gemeinsam oder auch nur allein bekämpft. Nach vielen Jahren war SHERNOC hinzugekommen, und die Inkarnation schien vollendet gewesen zu sein.
Wahrscheinlich wäre die Entstehung BULLOCs von BARDIOC auch niemals angeregt worden, wenn es nicht zum Kontakt mit der Kaiserin von Therm gekommen wäre. Von Anfang an hatte sich gezeigt, dass die Interessen beider Wesenheiten miteinander unvereinbar waren.
In die ersten Zwischenfälle waren zunächst nur bedeutungslose Hilfsvölker verwickelt gewesen. Doch hatte der Konflikt sich ausgeweitet, und im Augenblick sah es danach aus, als würden in absehbarer Zukunft beide Superintelligenzen auf breiter Front aufeinander losgehen.
BULLOC wusste, dass seine Vollendung zu diesem Zeitpunkt kein Zufall war. Er war dazu ausersehen, den Sieg über die Kaiserin von Therm zu erringen. Da er alle Macht und die Fähigkeiten seiner Vorgänger in sich vereinte, stellten CLERMAC, VERNOC und SHERNOC nur eine Belastung für ihn dar und mussten ausgelöscht werden.
Er zweifelte nicht daran, dass dies auch in BARDIOCs Sinn war. Im Grunde genommen erlebte BULLOC die letzte Phase einer fantastischen Metamorphose. Er stellte die wichtigste und einzigartige Stufe bei dem Versuch BARDIOCs zur Selbstverwirklichung dar. BULLOC und BARDIOC waren im Grunde genommen eins, auch wenn sie sich noch nie gegenübergestanden hatten und über eine gewaltige Entfernung voneinander getrennt waren.
Die vierte Inkarnation spürte, dass die anderen weiter verfielen. Sie reagierten nicht mehr überlegt, sondern nur noch impulsiv und willkürlich. Trotzdem belasteten ihn diese mentalen Zuckungen mehr als der vorausgegangene strategisch geplante Widerstand – sie erinnerten ihn an seine eigene Vergänglichkeit. Es war eine schwer zu beantwortende Frage, was mit ihm selbst geschehen würde, wenn der Krieg gegen die Kaiserin von Therm gewonnen war. Würde er dann nicht mehr benötigt? Würde an seine Stelle eine andere Inkarnation treten?
BULLOC verdrängte diese Gedanken. Vieles hing von dem Verhältnis ab, das er zu BARDIOC entwickeln würde. BARDIOC würde kein Wesen vernichten, das den Sieg über die Kaiserin von Therm davongetragen hatte, und BULLOC zweifelte keinen Augenblick an diesem Sieg. Schließlich wollte er seine Fähigkeiten und seine Verbundenheit mit der Superintelligenz gleich zu Beginn seiner Existenz demonstrieren, mit Hilfe eines raumflugtauglichen Objekts, in das der Zufall – oder die Unfähigkeit seiner Vorgänger – ihn ausgerechnet zum Zeitpunkt seiner Geburt geführt hatte.
Er vermied es, mit seinen mentalen Sinnen über die Sphäre hinaus die Umgebung abzutasten. Dabei hätte er sich verraten können.
Die Übernahme der SOL und ihrer Besatzung musste schlagartig ausgeführt werden.
BULLOC lauschte auf die Impulse seiner Vorgänger. Sie waren kaum mehr zu spüren. Innerhalb kürzester Zeit würden sie völlig verstummt sein, dann konnte er das Schiff der Menschen angreifen.
Preux Gahlmann hatte damit begonnen, die Bettdecke zu zerreißen und ihre Füllung in einer Ecke des Behandlungsraums anzuhäufen. Der Zweck dieses Vorhabens lag auf der Hand: Er baute sich ein Nest, das seinen Vorstellungen eher entsprach als das Bett.
Dr. Hallmann befahl den Medorobotern, nicht einzugreifen. Inzwischen war sein Optimismus gewachsen, bei Gahlmann könnte es sich um einen Einzelfall handeln. Keine der Kontaktpersonen zeigte Krankheitssymptome.
SENECAs Analyse lag vor, aber sie half den Ärzten nicht weiter, denn sie attestierte dem Hangartechniker beste Gesundheit – eine gesunde Ratte.
Der Verdacht, es könnte sich um einen besonderen Fall von Autosuggestion handeln, lag nahe. Jedoch stellte sich heraus, dass Gahlmann keine latenten parapsychischen Fähigkeiten besaß, seine psionische Aura lag sogar unter der Norm.
Als Dr. Hallmann seinen Beobachtungsplatz vor der Transparentwand verließ, um sich für eine erneute Untersuchung der unter Quarantäne stehenden Besatzungsmitglieder vorzubereiten, überlegte er, dass ihm bislang keiner der befragten Kosmo- und Parapsychologen weitergeholfen hatte. Das dokumentierte die Ungewöhnlichkeit dieses Falles.
Im Vorraum der Quarantänestation wurde er von einem korpulenten Mann aufgehalten, der zu den Kontaktpersonen gehörte.
»Ich bin Fengor aus dem Labortrakt«, stellte
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