Silberband 099 - Treibgut der Sterne
den verdammten Polypen gefressen zu werden.« Tas streckte abrupt den Arm aus und zeigte in die vor Hitze flimmernde Landschaft hinaus. »Sie kommen!«
Partmann Gogh kam so schnell hoch, dass ihm übel wurde.
Die Sandpolypen selbst waren nicht zu sehen, aber ihre Aktivität deutlich genug. In breiter Front versanken die Pflanzen, wo sich die Allesfresser im Boden bewegten.
»Es müssen Tausende, vielleicht sogar Zehntausende sein.«
An den versinkenden Pflanzen war zu erkennen, dass die Polypen den Baum in wenigen Minuten erreichen würden. Partmann Gogh wandte sich wortlos ab und stieg in den Gleiter. Tas folgte ihm und startete.
Sie schauten nicht zurück, wollten nicht sehen, wie der Baum von den Tieren vernichtet wurde.
Nach zwei Flugstunden landeten sie vor der ›Burg‹. Der Turm, etwa achtzig Meter hoch und annähernd sechzig Meter durchmessend, war aus einem roten Synthetikstein errichtet. Von allen Seiten näherten sich ausgemergelte Gestalten. Die meisten kamen zu Fuß. Einige wenige hatten einen Gleiter, aber den Maschinen war die Altersschwäche anzusehen.
Gogh lächelte zurückhaltend, als er sah, dass viele Säure in den breiten Graben gossen, um ihn weiter aufzufüllen. Er war davon überzeugt, dass die Polypen in ihrer Fressgier sogar den Graben überwinden würden. Zu Tausenden würden sie hineinstürzen und darin verenden, aber die nachrückenden Tiere würden irgendwann über die Leichen der anderen hinweg das Tor erreichen und es aufbrechen.
Geduldig wartete Partmann Gogh, bis ihm und Tas erlaubt wurde, dass sie sich in den Strom der in der Burg Zuflucht suchenden Siedler einreihten. Sie schritten über die Zugbrücke und passierten die Kontrolle zweier Offiziere der Landwehr.
»Ich muss Schaman sprechen. Sofort!« Jerome Tas wandte sich an einen der beiden Männer.
»Er ist ganz oben. Du kannst den Fahrstuhl benutzen.«
Partmann Gogh ließ sich von Tas mitziehen. Sie drängten sich zu einem Gitterkorb durch, der an einem Stahlseil hing, kletterten hinein und gaben den Offizieren ein Zeichen. Die Kraft eines Elektromotors hob den Korb nach oben.
Sie verließen den Fahrstuhl auf dem Dach des Turmes. Von der brusthohen Schutzmauer aus spähten Männer und Frauen über das Land.
Schaman, der Kommandant des Turms, war ein dunkelhaariger Mann mit grob geschnittenem Gesicht. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er sah erschöpft aus.
Gogh blickte auf das öde Land hinaus. Er erinnerte sich noch gut, dass hier vor Jahrzehnten fruchtbares, blühendes Land gewesen war. Jetzt bemerkte er ein vielfarbiges Flimmern in der Ferne, das sich langsam näherte. Diese Erscheinung hatte er auch draußen auf dem Feld schon beobachtet.
»Seht ihr das Flimmern?«, fragte er. »Sie kommen.«
»Was für ein Flimmern? Meinst du die Hitze?«
Partmann Gogh versuchte, es seinem Begleiter zu erklären, doch Tas verstand nicht. Er sah nicht, was Gogh sah.
»Entweder werde ich verrückt, oder ich kann die Sandpolypen tatsächlich sehen«, sagte Gogh.
»Niemand kann sie sehen«, stellte Schaman fest. »Aber das ist auch egal. Sieben von den vierzig Burgen sind bereits gefallen. Die Bevölkerungszahl von Kesskeil ist auf unter eine Million gesunken.«
»Deshalb bin ich gekommen«, erwiderte Tas. »Wir müssen den Hyperfunksender in Betrieb nehmen.«
»Das würde uns alle Energie kosten, die wir noch haben. Danach könnten wir nur mehr die Hände in den Schoß legen und warten.«
»Bildest du dir wirklich ein, dass der Säuregraben hilft?«, fragte Tas. »Die Polypen werden die Burg von unten her aufbrechen, und dann ist es sowieso aus. Oder hat sich eine der anderen Burgen als sicher erwiesen?«
»Nein«, gab Schaman zögernd zu.
»Ich bin der Einzige auf Kesskeil, der mit dem Hypersender umgehen kann«, sagte Tas. »Ich benötige sämtliche Energie. Lass die Batterien aus allen Geräten ausbauen, auch aus den Gleitern. Und beeile dich! Ich muss die Batterien zusammenkoppeln, bevor ich senden kann. Das dauert. Und ich muss rechtzeitig senden. Sobald die Polypen hier sind, ist es längst zu spät.«
Schaman zögerte nur kurz, dann erteilte er seine Befehle. Niemand protestierte.
Mit primitiven Mitteln schaltete Tas die Batterien zusammen. Gogh, der ihm häufig bei Übungen zur Hand gegangen war, richtete die Antennen auf und befreite den Hypersender mit allen angeschlossenen Apparaturen von den Schutzverkleidungen. Hin und wieder eilte er zur Brüstung und schaute über das Land. Dabei wurde ihm immer
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