Silberband 100 - BARDIOC
er. »Ich werde meinen Namen vergessen. Es gibt keinen Ganerc mehr, ich werde nur noch Callibso sein.« Er nahm den Zylinder vom Kopf und holte das wenige heraus, was ihm geblieben war.
Viele Jahre später erreichte er müde und ohne innere Energie seine Burg. Sie war unberührt geblieben und zeigte kaum Spuren des Zerfalls. Immerhin war sie etwas Vertrautes.
Er betrat die Burg mit einer gewissen Erleichterung. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass ihn jemand stören würde, verschloss er sie und legte sich zur Ruhe nieder.
Lange Zeit später erwachte er.
Zunächst dachte er, ein Geräusch in seiner unmittelbaren Umgebung hätte ihn geweckt, doch dann erkannte er die Täuschung. In der Burg hatte sich nichts bewegt. Was er für ein Geräusch gehalten hatte, war ein Vorgang in seinem Bewusstsein gewesen.
Er wurde an den Beginn seines Lebens erinnert.
War er damals auf ähnliche Weise erwacht und zu Bewusstsein gekommen?
Doch die beiden Situationen waren nur ähnlich und nicht miteinander zu vergleichen. Er zerbrach sich den Kopf auf der Suche nach der Antwort auf die Frage nach dem, was ihn aus der Ruhe gerissen hatte.
Plötzlich wusste er es.
Der Ruf war wieder ergangen!
Callibso sprang auf und raste durch die Burg, dorthin, wo sein kleines Fluggerät stand. Zitternd überprüfte er die Kontrollen. Sein Verstand arbeitete mit einer Intensität, wie er es seit der Suche nach dem Anzug der Vernichtung nicht mehr erlebt hatte.
Der Ruf!, dachte er überglücklich.
Sein Dasein war nicht länger sinnlos. Nun hatte er wieder ein Ziel und wusste, wohin er sich zu wenden hatte.
Er spürte, wie das kleine Schiff vibrierte, als die Triebwerke ansprangen. Dann lehnte er sich zurück und wartete. Er brauchte genauere Angaben, Koordinaten, Geschwindigkeiten, Treffpunkte. Das alles würde im nächsten Ruf enthalten sein.
Der Ruf erging zum zweiten Mal.
Callibso, der ihn herbeigesehnt hatte, sank auf dem Pilotensitz zusammen. Die Wahrheit hätte ihn wahrscheinlich umgebracht, wenn er nicht an schlimme Rückschläge gewöhnt gewesen wäre.
Er verstand den Sinn des Rufs nicht.
Der Ruf war ergangen. Aber nicht an die sieben Mächtigen. Nicht an Ganerc! Nicht an Callibso!
Es gab längst andere, die den Ruf hörten und ihm folgten.
10.
Die Entstehung der Superintelligenz BARDIOC Der Ausbruch
Stumm und verzweifelt lachte das Gehirn. Wie jedes Mal, wenn es sich einer heiteren Episode aus seinem früheren Leben erinnerte. Es gab keinen Augenblick in seiner Vergangenheit, an den das Gehirn sich nicht tausendmal zurückerinnert hätte, kein Gefühl, das es im Nachhinein nicht viele hundertmal auszukosten versucht hätte.
Bardioc hätte nicht zu sagen vermocht, was schrecklicher war in dieser nach Jahrtausenden zählenden Verbannung: die Dunkelheit, die Stille oder die Bewegungslosigkeit.
Da lag er nun – oder vielmehr das, was noch von ihm übrig war: sein Gehirn – in einer unzerstörbaren Kapsel, zu der ein perfektes, niemals erlöschendes Lebenserhaltungssystem gehörte, und er lebte und war dennoch so gut wie tot.
Sein Zeitgefühl war erloschen. Er wusste nicht, wie lange er sich schon in der Verbannung befand. Das war auch unwichtig geworden, denn an seinem Zustand würde sich bis in eine unvorstellbar ferne Zukunft nichts ändern.
Unzählige Male hatte er versucht, einfach mit dem Leben aufzuhören. Aber wie hätte er das wirksam bewerkstelligen sollen? Er hatte sich bemüht, den Denkprozess abzubrechen, der seine einzige bewusste Lebensfunktion geblieben war. Es war ihm nicht gelungen. Er wusste, dass seinem Gehirn Sauerstoff und Nahrung zugeführt wurden, aber davon spürte er nichts.
Die Qualen, die das einsame Gehirn erlitt, waren unvorstellbar.
Schließlich mündete Bardiocs Verzweiflung in Hass. Hass auf jene, die ihn zu diesem unerträglichen Leben verurteilt hatten. Er stellte sich in allen Einzelheiten vor, wie er eines Tages ausbrechen und Rache nehmen würde.
Seine Brüder hatten ihn in die Verbannung geschickt. Bardioc hatte längst aufgehört zu differenzieren, denn auf diese oder jene Weise war jeder der sechs für sein Schicksal verantwortlich.
Bardiocs Hass wuchs, bis er die einzige ihn noch beherrschende Empfindung war. Dieses Gefühl war so übermächtig, dass es zum eigentlichen Beginn einer Veränderung wurde, die, zunächst kaum spürbar und nur unbewusst vollzogen, weitreichende Konsequenzen haben sollte.
Die intensiven Hassgefühle bewirkten, dass jene Teile von Bardiocs
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