Silberband 100 - BARDIOC
und Verdunstung gingen weiter, aber sie brachten keine neuen Veränderungen. Es schien, als wäre alles, was in vielen Jahrtausenden geschehen war, vergebens gewesen.
Bardioc sprach mit jenen da draußen, ohne etwas von dem aus pervertierten Zellen bestehenden Knoten zu ahnen. Die Wucherung produzierte unablässig niedere Instinkte, eine kleine und bösartige Maschinerie, aber es gab keinen Körper, der diese Impulse in die Tat hätte umsetzen können, sodass eigentlich alles, was sich in Bardiocs Zwischenhirn abspielte, im Grunde genommen sinnlos war.
Der Status quo, der unterbrochen gewesen zu sein schien, war in Wirklichkeit nur durch einen anderen ersetzt worden.
Unbemerkt von Bardioc hatte sich aber außerhalb der Bodenhöhle, in der die Kapsel lag, ein weiteres kleines Wunder ereignet. Einem zufällig vorbeikommenden Betrachter wäre aufgefallen, dass rings um die Höhle die Pflanzen besonders dicht wuchsen und häufiger blühten als an anderen Orten dieses Planeten. Jener Bereich ähnelte einer kleinen Oase.
Es war, als hätten die Pflanzen Bardiocs Rufe ›gehört‹ und darauf reagiert. Sie hatten sich um die Höhle versammelt und lauschten der telepathischen Stimme des Verbannten, ohne zu begreifen, was sie in sich aufnahmen, und ohne jede Möglichkeit, dem eingeschlossenen Gehirn beizustehen.
Manchmal erscheint eine Kette von Zufällen so wunderbar, dass jeder geneigt ist, an eine Fügung des Schicksals zu glauben. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit hätten sich all jene Dinge, die schließlich zur Befreiung Bardiocs führten, niemals in dieser Reihenfolge ereignen dürfen. Doch das allein schloss die Möglichkeit nicht völlig aus, dass sie sich trotzdem ereigneten.
Das letzte Glied in der Kette von Zufällen war ein Erdbeben. Unter normalen Umständen wäre dieses Beben für den Behälter ohne Folgen geblieben, aber die organische Säure hatte ihn von innen heraus zerfressen und brüchig werden lassen.
Das Beben riss die Decke über der Höhle auf. Ein Felsblock von mehreren Tonnen Gewicht stürzte auf die Kapsel herab.
Bardioc spürte die Erschütterungen, denen sein Gehirn ausgesetzt war, gleichwohl konnte er sich die Ursache dessen nicht erklären, weil er nicht genügend Informationen besaß. Er fürchtete nicht um sein Leben, der Tod wäre ihm im Vergleich zu seinem armseligen Dasein wie eine Erlösung erschienen. Deshalb erfasste ihn eine irrsinnige Hoffnung. Die Erschütterungen mochten das Signal dafür sein, dass jene da draußen sich bemühten, ihn aus dem schrecklichen Gefängnis zu befreien.
Bardioc ahnte nicht, dass dies ein überaus dramatischer Augenblick in seinem Leben war. Er wusste nicht, dass er in diesen Sekunden wirklich unmittelbar an der Schwelle des Todes stand.
Der Aufprall des Felsens hatte die Kapsel gesprengt, und das Gehirn war der mit Keimen durchsetzten Luft der unbekannten Welt schutzlos ausgesetzt. Doch das bedeutete nicht die einzige Gefahr. Die Versorgungsleitungen des Lebenserhaltungssystems hatten sich losgerissen und konnten ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen. Das Gehirn erhielt auf dem alten Weg keinen Sauerstoff und keine Nahrung mehr.
Davon waren auch die pervertierten Wucherungen betroffen. Kaum, dass sie der Luft des fremden Planeten ausgesetzt waren, starben sie ab und zerfielen.
Zweifellos hätte Bardiocs Gehirn dieses Schicksal früher oder später geteilt. Unbewusst spürte er, dass er von dem lebenserhaltenden System der Kapsel für immer abgeschnitten war. Nun konnten ihm nur noch jene da draußen helfen. Er rief nach ihnen, flehte sie an und beschwor sie, ihn in seiner unerträglichen Not nicht allein zu lassen.
Ein schwer bestimmbares mentales Raunen antwortete ihm. Es war die Antwort eines seltsamen Kollektivs, das mit einer für Bardioc unverständlichen Stimme sprach.
Von der zerstörten Decke der Bodenhöhle hingen Hunderte Wurzeln herab. Sie hatten ihre Lage verändert. Einige drangen durch das Leck in der Kapsel ein und berührten Bardiocs Gehirn.
Für Bardioc war dies ein elektrisierendes Gefühl. Vorübergehend drohte ihn die Panik zu überwältigen, denn er hatte zu lange abgeschlossen und einsam gelebt.
Da ist der Kontakt!, tosten seine Gedanken. Der ersehnte Kontakt mit jenen da draußen.
Weitere Wurzeln schlängelten heran, wanden sich um das Gehirn, drangen behutsam in die Zellstruktur ein.
Bardioc fühlte, dass er durch die Pflanzen, die sich mit ihm vereinigten, eine neue Form der Wahrnehmung erlangte. Er spürte
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