Silberband 101 - Eiswind der Zeit
sie meinte.
»Sie wollen sagen, wenn Boyt Margor tot ist, dann bin ich frei.«
»Das ist anzunehmen«, bestätigte der Psi-Analytiker.
»Zu einem Mord gebe ich meine Zustimmung nicht«, sagte Payne Hamiller. »Auf keinen Fall.«
»Wir werden einen anderen Weg finden«, entgegnete Howatzer besänftigend. »Ich kann mir vorstellen, dass Margor auch dann erledigt ist, wenn wir seine parapsychischen Sinne lahmlegen.«
»Bislang ist ungeklärt, welche Teile des Gehirns die parapsychische Leistung erbringen«, konstatierte der Wissenschaftler. »Umfangreiche Untersuchungen wurden angestellt und zahllose Experimente durchgeführt, um dieses Geheimnis zu lüften, aber es ist bis heute nicht gelungen, die Quelle der psionischen Energien eindeutig zu lokalisieren. Die Gehirnteile, die bei Fellmer Lloyd beispielsweise mit großer Wahrscheinlichkeit den Parablock beherbergen, haben bei Ras Tschubai überhaupt nichts damit zu tun …«
»Bitte!«, unterbrach Bran Howatzer den Redeschwall. »Halten Sie uns kein Referat über das Mutantenkorps. Es gibt andere Dinge, die vorrangig besprochen werden müssen.«
Payne Hamiller stutzte. Verwirrt blickte er sein Gegenüber an. Dann wurde ihm bewusst, dass er das Thema aus den Augen verloren hatte, um das es eigentlich ging.
»Ist Boyt Margor wirklich der Katastrophe entkommen?«, fragte er nachdenklich und setzte sich wieder. »Wie konnte es überhaupt zu der Katastrophe kommen? Was haben Sie damit zu tun? Haben Sie das alles ausgelöst?«
Bran Howatzer schüttelte den Kopf. »Wir waren Margor auf der Spur. Wir haben noch eine Rechnung mit ihm offen. Deshalb waren wir bei dem Forschungsinstitut. Margor hat den Schrein der Demeter wohl gewaltsam geöffnet und damit eine psionische Schockwelle ausgelöst, durch die seine Mitarbeiter getötet wurden.«
»Psionische Schockwelle?«, fragte Hamiller überrascht. »Woher wissen Sie das?«
»Das vermuten wir«, erwiderte Howatzer rasch. »Was hätte es sonst sein können? Wieso warf es seine Mitarbeiter zu Boden, den Mutanten selbst aber nicht?«
»Wollen Sie damit sagen, dass Boyt Margor alles unbeschadet überstanden hat?«
»Er ist unverletzt«, antwortete das Relais. »Wir haben gesehen, dass er die Halle verließ. Er ist nahe an uns vorbeigegangen. Ich hätte ihn berühren können, wäre ich in der Lage gewesen, mich zu bewegen.«
»Und Demeter?«
»Er trug sie auf den Armen. Sie sah aus wie tot.«
»Unsinn. Sie war nicht tot. Sie lebte«, bemerkte Dun Vapido.
»Das glaube ich auch«, fügte Howatzer hinzu. »Margor hätte sie sonst nicht mitgenommen.«
Hamiller sprang erneut auf und ging zum Fenster. Er versuchte, sich klarzumachen, dass Margor noch lebte, und dass er mit Demeter entkommen war.
Nach einigen Minuten ging Bran Howatzer zu dem Rat und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen«, sagte er.
»Sie können mir nicht helfen«, erwiderte Hamiller niedergeschlagen. »Aber ich sorge dafür, dass Sie freigelassen werden.«
Kershyll Vanne hörte ein fernes Zischen. Er blieb auf der Leiter stehen und blickte hoch. In diesem Moment riss ihn eine Druckwelle zu Boden. Das Konzept rollte sich instinktiv bis an die nächste Wand, und das rettete ihm das Leben.
Schutt und Trümmerstücke schossen in die Grube hinein. Neben Vanne schlug ein mächtiger Brocken auf. Er schlang die Arme um den Kopf und presste sich an die Wand, bis es ruhig wurde. Dann blickte er nach oben. Direkt über ihm lag eine stark beschädigte Marmorstatue auf der Kante der Grube. Sie pendelte langsam auf und ab.
Vanne schnellte sich zur Seite. Keine Sekunde zu früh, denn schon kippte die Statue. Sie schlug dort auf, wo er eben noch gelegen hatte.
Aufatmend wischte Kershyll Vanne sich den Staub aus dem Gesicht. Er zerrte die Leiter unter dem Schutt hervor. Sie war stark beschädigt, aber ihm blieb keine andere Wahl, als sich vorsichtig an ihr hochzuhangeln. Anders hätte er die Grube nicht verlassen können.
Vanne blickte nach oben. Das Loch in der Deckenwölbung war mit Trümmern verstopft. Herabfallende Bruchstücke hatten große Teile der Einrichtungen und archäologischen Schätze zerstört.
Kershyll Vanne zweifelte nicht daran, dass die Katastrophe durch einen Erdrutsch verursacht worden war. Er sah sich in der Halle um in der Hoffnung, irgendwo einen Ausweg zu finden. Dabei bemühte er sich, über Funk Verbindung mit den Archäologen an der Oberfläche zu bekommen, doch niemand antwortete ihm.
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