Silberband 101 - Eiswind der Zeit
war.
Pyon Arzachena entfernte sich in gerader Linie vom Schiff. Als er ungefähr die Hälfte der Strecke bis zum Krater zurückgelegt hatte, stutzte der Prospektor. Er hatte die Entfernung auf etwa dreißig Kilometer geschätzt. Bei einer Fluggeschwindigkeit von durchschnittlich sechshundert Stundenkilometern hätte er drei Minuten bis zu dem Feuerberg brauchen dürfen. Aber er war schon zehn Minuten unterwegs.
Es dauerte weitere zehn Minuten, in denen der Vulkan optisch höchstens fünf Kilometer näher rückte. Arzachena hätte keine wissenschaftliche Erklärung des Phänomens finden können. Allein seine Erfahrung sagte ihm, dass die Diskrepanz durch eine Verzerrung des Raumes oder der Zeit hervorgerufen wurde, also ein Trick war, mit dem der Verursacher seinen Aktionsradius einschränken wollte.
Angenommen, die Projektionskulisse aus Lava und Vulkanen erstreckte sich über die Oberfläche des gesamten Planeten Olymp, dann gab es keinen stichhaltigen Grund, den Aktionsradius des Getäuschten räumlich zu begrenzen. Anders verhielt es sich, wenn sich die Kulisse innerhalb eines geschlossenen Raumes befand – beispielsweise in einer großen Kaverne. In diesem Fall war die Begrenzung der Reichweite von Eingeschlossenen zwingend, damit sie sich an der Höhlenwandung nicht den Schädel einrannten beziehungsweise nicht herausfanden, wo sie steckten.
Pyon war sicher, dass diese zweite Möglichkeit zutraf. Entschlossen, aber dennoch in Angstschweiß gebadet, ließ er sich bis knapp einen Meter über die höllische Kulisse absinken. Er glaubte, die Hitze durch seinen Schutzanzug hindurch zu spüren, aber sein Armband zeigte eine Temperatur von lediglich zweiundvierzig Grad Celsius an.
Pyon Arzachena riskierte alles. Sekundenlang fürchtete er, gleich einer Fackel zu verbrennen, dann berührten seine Stiefel festen Boden. Gleichzeitig verschwand die Projektion.
Pyon Arzachena stand auf nacktem Gestein. Über ihm wölbte sich die Decke eines Felsendoms – und an der höchsten Stelle war eine trüb rote Kunstsonne in unsichtbaren Kraftfeldern verankert.
Der Prospektor schätzte die Größe des Felsendoms ab, der maximal hundertfünfzig Meter hoch sein mochte und mehrere Kilometer durchmaß. In der Mitte der Felsenhalle schwebte der SVE-Raumer.
Pyon Arzachena fragte sich, ob er Hotrenor-Taak berichten sollte, wo sie sich befanden, da hörte er den Schrei. Ein weibliches menschliches Wesen mochte geschrien haben. Der alte Mann entdeckte in der fraglichen Richtung eine portalähnliche Öffnung.
Pyon wollte in geringer Höhe hinfliegen, doch er kam kaum von der Stelle und sah wieder die Projektion der Lava. Er stieß eine deftige Verwünschung aus und marschierte zu Fuß los.
28.
Hölle nach Art des Hauses
Anfangs hatte Nchr alias Pedar von Margulien nicht genau darauf geachtet, wie sich Ilma von Rohan vor ihm durch Gänge, Kammern, Hallen und Schächte bewegte.
Als er merkte, dass es in der Unterwelt von Olymp auf jeden einzelnen Schritt, jede Handbewegung und sogar auf das Tempo der Fortbewegung ankam, war er schon fast tot. Aus dem groben Mauerwerk der Wände zuckten blitzende Schwertklingen heraus. Drei von ihnen durchbohrten Nchrs Körper, und als der Gys-Voolbeerah sich ohne Rücksicht auf die erlittenen Wunden nach vorn warf, klappte unter ihm eine Steinplatte weg.
Nchr sah am gegenüberliegenden Rand der Fallgrube einen dichten Rasen winziger Stahlnadeln schimmern, aus deren Spitzen Tropfen einer wasserklaren Substanz quollen, und in der Fallgrube fauchte und glühte es wie in einem Hochofen. Der Molekülverformer fand keinen Halt. Doch da lief bereits ein Prozess ab, bei dem die molekular austauschbare Körpersubstanz aus den Beinen und dem Rumpf in Arme und Hände transportiert wurde. Nchr wurde zu einem Wesen aus zwei großen Lederhautschwingen und einem winzig kleinen Körper, der mit Schwung über die gefährliche Nadelkante hinwegglitt und klatschend im Korridor landete. Bedauernd musterte er die Überreste der echten Kleidung, dann formte er wieder die Kopie von Pedar von Margulien und bildete zudem neue Kleidung aus.
›Seine‹ Nichte hatte Nchr dabei nicht aus den Augen gelassen, denn ihm war klar geworden, dass es für ihn darauf ankam, ihre Bewegungen exakt zu wiederholen.
Ilma von Rohan bewegte sich wie eine Schlafwandlerin. Sie hatte die Kette abgenommen und blickte unablässig auf den im Medaillon eingebetteten Kristall.
Der Gys-Voolbeerah dachte angestrengt nach. Einerseits schien es
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