Silberband 101 - Eiswind der Zeit
zuvor – und sie würde nie wieder die Verwaltungswelt eines Sternenimperiums sein, sondern kultureller Mittelpunkt und Heimatwelt aller Menschen.
Die riesige Stadt mit ihren gewaltigen Bauplätzen verschwand aus Vannes Blickfeld, als die Space-Jet unter das Niveau des Sichelwalls sank. Gleich darauf setzte das Schiff auf.
Als Kershyll Vanne die Bodenschleuse verließ, landete soeben ein Fluggleiter in unmittelbarer Nähe. Ein junger Mann in schlichter lindgrüner Kombination stieg aus, ging auf Vanne zu und hob grüßend die Hand.
»Protor Vaux!«, stellte er sich vor. »Mister Vanne, ich bin im Auftrag des Ersten Terraners gekommen, um Sie nach Imperium-Alpha zu bringen.«
Vanne neigte grüßend den Kopf. »Der Erste Terraner heißt Julian Tifflor?«, erkundigte er sich. »Ich habe die Wahlen nicht mitverfolgen können, Mister Vaux.«
»Er heißt Julian Tifflor, richtig.« Vaux deutete auf zwei näherkommende Bodengleiter. »Die Techniker werden sich Ihres Schiffes annehmen und es gründlich untersuchen.«
»Gut!«, erwiderte Vanne. »Fliegen wir!«
Er fieberte der Begegnung mit Tifflor entgegen und freute sich darauf – vor allem wollte er mehr über die Situation auf der Erde erfahren. Aber vorher würde er wohl seinen Bericht abgeben müssen.
Protor Vaux geleitete ihn zu dem Raum, in dem jener Block aus silbern schimmerndem Metall untergebracht war, der die Bewusstseine der Altmutanten beherbergte, wenn sie sich nicht gerade mit Trägerkörpern in einem Einsatz befanden.
Vor dem Panzerschott ließ Vaux das Konzept allein. Als Vanne den Raum betrat, lehnte Tifflor mit dem Rücken an dem Block aus PEW-Metall und blickte ihm lächelnd und erwartungsvoll entgegen.
»Willkommen auf der Erde, Kershyll!«, sagte Tifflor. »Ich freue mich, Sie gesund wiederzusehen. Inzwischen hat sich hier einiges getan. Wir haben die Liga Freier Terraner, ich bin Erster Terraner – und Roi Danton wurde zum Obersten Terranischen Rat gewählt. Aber später mehr darüber. Sie bringen Neuigkeiten?«
»Mehr als genug«, antwortete Vanne. Er berichtete über die Geschehnisse um und auf Lavallal, von seiner Begegnung mit dem Hüter des Lichts und der Botschaft von ES. Er überreichte Tifflor die Folie, die Wastor ihm gegeben hatte.
Der Erste Terraner runzelte unwillig die Stirn.
»Eine wichtige Mission, die viele Raumschiffe und noch mehr hochqualifizierte Menschen beanspruchen würde – das ist undenkbar, Kershyll. Bei den Problemen, vor denen wir stehen, kann ich kein einziges Schiff entbehren.«
»Wastor nannte das, was wir aufspüren sollen, PAN-THAU-RA – und Tengri Lethos gab mir den Hinweis, ich solle ›meinen Hesiod‹ lesen. Sagt Ihnen das etwas?«
»Allerdings.« Tifflor wurde blass. »Erst gestern berichtete mir der Rat für Wissenschaften, Payne Hamiller, von einem Fund auf Kreta. Die Schriften, die dort entdeckt wurden, sind erst teilweise übersetzt, aber schon heute steht fest, dass darin von einem Wesen oder Ding namens PAN-THAU-RA berichtet wird, das einen Behälter voller Krankheitserreger und anderer Unheilsbringer über der prä-minoischen Zivilisation ausschüttete.«
»Die Büchse der Pandora!«, entfuhr es Kershyll Vanne.
Tifflor nickte. Er wollte etwas sagen, doch in dem Moment erklang über Rundruf eine erregte Männerstimme: »Soeben wurde vom Überwachungsstab Luna-NATHAN Alarm gegeben!«
Julian Tifflor stieß sich von dem PEW-Block ab und eilte zur Tür.
»Kommen Sie mit, Kershyll! Ich fürchte, da bricht neues Unheil über uns herein!«
4.
»Special Projects Office, Kalaainen«, meldete sich der junge Mann. Er warf einen Blick auf den Schirm und sah, dass ihm der Anrufer unbekannt war. Es handelte sich um einen Mann in mittleren Jahren. Hageres Gesicht, kurzes eisgraues Haar und ein spöttisches Glitzern in den Augen.
»Redfern hier. Ich will den Ersten Terraner für Wissenschaft sprechen.«
»Den Terranischen Rat für Wissenschaften etwa?«, Kalaainen sah verwundert auf.
»Hamiller heißt er.«
Pemmo Kalaainen war zwar nur einer der untergeordneten Mitarbeiter des Special Projects Office, doch er war sich der Würde bewusst, dass das SPO dem Terranischen Rat für Wissenschaften direkt unterstand. »Sie nehmen hoffentlich nicht an, der Rat sei für jeden und zu jeder Zeit zu sprechen?«, fragte er schnippisch.
»Dieser Ansicht bin ich nicht«, bekannte der Anrufer. »Ich sehe auch gar nicht ein, was das mit meinem Anruf zu tun haben soll.«
»Haben Sie in letzter Zeit auf die
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