Silberband 101 - Eiswind der Zeit
Uhr geschaut?«
»Habe ich. Bei euch in Terrania City ist es jetzt halb zwei.«
»Morgens!«, betonte Kalaainen.
»Natürlich«, bestätigte Redfern. »Ich ersuche darum, den Rat nötigenfalls aus dem Bett zu holen – obwohl ich bezweifle, dass er sich dort befindet.«
Kalaainen wich auf eine Kontrollschaltung aus. In einem Seitenholo erschien die Meldung, dass der Rat für Wissenschaften sich derzeit in einer Besprechung mit dem Ersten Terraner befand. »Sie haben recht«, antwortete er von oben herab. »Trotzdem werde ich Hamiller nicht stören.«
Der Mann mit dem eisgrauen Haar lächelte, aber es war ein gefährliches Lächeln. »Sie sollten wissen, dass ich eine akute Abneigung gegen Leute habe, die sich aufgrund ihres Amtes etwas einbilden. Es macht mir geradezu Spaß, einen aufgeblasenen Schnösel wie Sie auflaufen zu lassen. Ich sage Ihnen …«
»Ich muss mir Ihr Geschwätz nicht weiter anhören!« Pemmo Kalaainen schaltete die Verbindung ab.
Die Atmosphäre in dem Raum wirkte angespannt. Kaum jemand redete. Von den vier Männern schritten zwei mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Händen auf und ab. Die beiden anderen saßen an dem runden Tisch und schienen ebenfalls eigenen Gedanken nachzuhängen.
Der Raum war ein Konferenzzimmer im obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes, das die Erdregierung zu ihrem Hauptquartier gemacht hatte. Die vier Männer hießen Julian Tifflor, Roi Danton, Kershyll Vanne und Payne Hamiller. Hamiller war einer der beiden am Tisch.
Tifflor unterbrach seinen Spaziergang. »Das kann unmöglich so lange dauern!«, sagte er. »Sind Sie sicher, Hamiller, dass Ihre Leute auf Draht sind?«
Der junge Wissenschaftler schrak auf, als sei er in Gedanken weit weg gewesen. Das kurz geschnittene braune Haar und der kurzsichtige Blick verliehen ihm einen Ausdruck von Weltfremdheit.
»Natürlich sind sie auf Draht«, antwortete er ein wenig ungehalten, als störe er sich daran, derart unsanft aus seinen Überlegungen gerissen zu werden.
»Bitte überzeugen Sie sich!«, bat Julian Tifflor, der die Eigenheiten des Wissenschaftlers gut kannte. »Es erscheint mir unvorstellbar, dass Lunar Emergency Operations sich noch nicht gemeldet haben sollte.«
Bezeichnenderweise musste Hamiller zuerst den Informationsdienst bemühen, um herauszufinden, welchen Rufkode das Special Projects Office hatte. So komfortabel, dass wenigstens den höchsten Regierungsinstanzen ein Ordonnanzroboter zur Verfügung stand, war Terrania City noch nicht wieder eingerichtet.
Payne Hamiller blickte den jungen Mann recht ungnädig an, der in der holografischen Darstellung erschien. »Wer sind Sie?«, fragte er knapp.
»Pemmo Kalaainen, Sir!«
»Gehören Sie zum Special Projects Office?«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Ich erwarte ein dringendes Gespräch. Ist eines für mich angekommen?«
»Von wem, Sir?«
»Lunar Emergency Operations – ein Mann namens Redfern. Er ist … was haben Sie?«
Kalaainens Gesicht war blutrot angelaufen. »Sofort, Sir!«, würgte er hervor. »Ich beschaffe Ihnen das Gespräch in höchster Eile. Ich … es scheint …« Der Rest war unverständliches Gemurmel. Das Holo verwischte, baute sich aber wenige Sekunden später wieder auf. Redferns hageres Gesicht erschien.
»Sie sollten den Notdienst zuverlässigeren Leuten überlassen, Hamiller.« Redfern grinste diabolisch. »Der falsche Mann am falschen Platz – und schon haben Sie eine erstklassige Panne.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Hamiller verwirrt.
In dem Moment trat Julian Tifflor hinzu. »Geben Sie Ihren Bericht ab, Redfern!«, verlangte der Erste Terraner.
»Die Angelegenheit ist ziemlich undurchsichtig, Sir. Ich schicke vorweg, dass wir Zeit haben, uns in Ruhe darüber zu unterhalten. Es besteht keine Gefahr, andererseits gibt es auch nichts, was wir momentan tun könnten.«
Der Erste Terraner nickte knapp. Er wusste es zu schätzen, wenn ein Gesprächspartner sofort mit wenigen Worten zusammenfasste, worauf es ankam.
»Die Summe der nachweisbaren Aktivitäten NATHANs stimmt nicht mit dem von den Kraftwerken angezeigten Gesamtleistungsverbrauch überein«, sagte Redfern.
»Wurde mehr Leistung abgerufen?«
»So ist es, Sir. Die Monitoren schlossen daraus, dass NATHAN eine geheime Tätigkeit aufgenommen hat. Wir haben uns natürlich umgehend erkundigt. Die erste Anfrage an die NATHAN-Exekutive blieb unbeantwortet. Auf die zweite erhielten wir die Auskunft, es gebe zur vorliegenden Frage
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