Silberband 101 - Eiswind der Zeit
Rollen auf Terra, Kanthall«, antwortete er ernst. »Sie repräsentieren die Übergangsperiode von der Aphilie zu einer Menschheit, die wieder im Vollbesitz ihrer Sinne ist. NATHANs Alleingang im Germyr-Sektor gibt Anlass zu glauben, dass er einem spätaphilischen Programm folgt. Deshalb ist es nur logisch, dass Sie an den Verhandlungen teilnehmen müssen.«
Kanthalls Miene verriet Bitterkeit. »Also gut, gehen wir!«, knurrte er.
Sie gingen durch den Korridor, in dem Hamiller sich vor wenigen Tagen an den Letzten Antiquar erinnert hatte. Als das Schott der Verbindungsstelle sich öffnete, trat Hamiller als Erster in den runden Raum und ließ sich in einem der bequemen Sessel nieder. Kanthall folgte ihm zögernd. Hamiller fiel auf, dass der ehemalige Aphiliker sich nicht neben ihn setzte, sondern einige Sessel entfernt.
»NATHAN, wir sind hier, weil es im Sektor Germyr Schwierigkeiten gegeben hat«, eröffnete Hamiller. »Du brauchst Unterstützung. Was können wir für dich tun?«
Kanthall fiel fast aus allen Wolken. Payne Hamiller legte eine Selbstsicherheit an den Tag, die angesichts NATHANs Eigenwilligkeit nur falsch sein konnte. Aber schon in der nächsten Sekunde wandelte sich Kanthalls Überraschung in echtes Staunen, als die große Bildfläche an der Wand aufleuchtete, NATHANs Symbol erschien, und eine fein modulierte Stimme antwortete: »Ihre Diagnose ist richtig. Bei der Fertigung der BASIS sind unvorhergesehene Schwierigkeiten aufgetreten. Ich benötige Hilfe. Ab sofort ist dem Terranischen Rat für Wissenschaften das Betreten des Sektors Germyr gestattet.«
Hamiller lächelte. »Der Terranische Rat für Wissenschaften will aber nicht, NATHAN. Er hat von deiner Eigenbrötelei die Nase voll! Der Terranische Rat ist ein Mensch, und als solcher betrachtet er Rechenanlagen jeder Art als Diener des Menschen. Wenn du glaubst, dieser Rolle entwachsen zu sein, kann niemand dir helfen.«
Jentho Kanthall fragte sich, ob Hamiller verrückt geworden war.
»Ihnen fehlt das nötige Verständnis für meine Aufgabe«, erklärte die Hyperinpotronik würdevoll.
»Wessen Schuld ist das, NATHAN?«, wies Hamiller den Vorwurf zurück. »Wer hält so hartnäckig mit seinen Plänen hinter dem Berg?«
»Ich bin der Sklave«, antwortete NATHAN. »Ich handle im Sinn der Aufträge, die ich erhalte.«
»Wessen Sklave bist du?«, fragte Hamiller mit einer Härte, die Kanthall an ihm nicht kannte. »Und wer ist es, der dir Aufträge erteilt, über die du uns keine Mitteilung machen kannst?«
»Ich bin der Sklave der terranischen Menschheit. Alles, was ich tue, dient dem Wohl der Menschheit.«
»Das war die Antwort auf die erste Hälfte meiner Frage. Wie steht es mit der zweiten? Wer erteilt dir die Aufträge, über die du nicht reden darfst?«
»Jemand, dessen Streben ebenfalls auf das Wohlergehen der terranischen Menschheit ausgerichtet ist.«
»Wer ist das? ES?«
»Die Frage ist ungerechtfertigt.«
»Dann geh zum Teufel!«, schrie Hamiller. »Lass dir von dem helfen, der dir die Aufträge erteilt, über die du nicht sprechen darfst!«
Sekundenlang war es still. Dann meldete sich eine andere Stimme. Sie gehörte ebenfalls NATHAN, aber sie hatte einen abweichenden Klang. Sie sprach eindringlich, fast beschwörend.
»Sie sehen die Dinge aus einer falschen Perspektive, Payne Hamiller!«
»So … Inwiefern tue ich das?«
»Ich bin eine Hyperinpotronik und habe kein eigenes Interesse. Wenn mir keine Hilfe zuteilwird, muss nicht ich darunter leiden, sondern die Menschheit. Ich bitte um Hilfe nicht um meiner selbst willen, sondern zum Besten der Menschen.«
Hamiller, der eben noch echten Zorn gezeigt hatte, lächelte plötzlich. »So klingst du weitaus verständlicher, NATHAN. Unter diesen Umständen bin ich bereit, dir zu helfen. Aber allein schaffe ich das nicht. Du musst wenigstens noch einem weiteren den Zutritt gestatten. Ich brauche Augustus zur Unterstützung.«
»Er ist mir bekannt. Die Genehmigung ist erteilt.«
Payne Hamiller seufzte erleichtert und stand auf. Die Unterredung war beendet.
Auf dem Rückweg zum Kontrollraum schritten Hamiller und Kanthall schweigend nebeneinander her. Unvermittelt blieb Hamiller stehen.
»Ich kenne Sie erst seit kurzer Zeit und bin wesentlich jünger als Sie. Eigentlich habe ich kein Recht, diese Frage zu stellen, aber ich tue es trotzdem: Warum sind Sie so verdrossen?«
Jentho Kanthall war sichtlich überrascht. »Ich halte es für besser, wenn wir darüber nicht
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