Silberband 101 - Eiswind der Zeit
Plänen gehört.«
7.
Die Explosion des Mondes fand am 21. Januar 3586 statt, in den frühen Morgenstunden nach Terrania-City-Zeit.
Als ›Explosion des Mondes‹ ging das Ereignis in die Annalen der Menschheit ein, weil Julian Tifflor gegen 5 Uhr von einem dringenden Hyperkomgespräch aus dem Schlaf gerissen wurde. Er hörte einen völlig aus dem Häuschen geratenen Payne Hamiller entsetzt rufen: »Wir haben ein lunares Beben ersten Ranges! Ich glaube, der Mond ist am Explodieren!«
Julian Tifflor war sofort hellwach. »Hören Sie auf mit dem Quatsch!«, fuhr er den verdatterten Wissenschaftler an. »Der Mond explodiert nicht. Wo sind Sie jetzt?«
»Lunar Emergency Operations«, antwortete Hamiller hastig.
»Was, glauben Sie, geht wirklich vor?«
Payne Hamiller wurde allmählich ruhiger. »Mir war es mit meiner Prognose bitterernst«, sagte er. »Aber Sie haben wahrscheinlich recht, Luna explodiert nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was los ist. In diesem Augenblick zittert der Boden unter meinen Füßen, als trampelten zehntausend wild gewordene Saurier darauf herum.«
In Tifflors halbdunklem Schlafzimmer schrillte ein Warnsignal. »Warten Sie!«, bat er den Wissenschaftler. »Da ist noch einer mit einer Hiobsbotschaft.«
Er nahm das zweite Gespräch entgegen. Es kam von einer Beobachtungsstation auf der Mondoberfläche. Ein junger Offizier erschien auf dem Schirm. Sein Gesicht war unnatürlich blass.
»Leutnant Dünne, Sir! Ich habe eine Meldung von kritischer Dringlichkeit!«
»Erstatten Sie Bericht, Leutnant!«
»Ei-ein Sektor der Mondoberfläche ist vor wenigen Minuten plö-plötz-lich spurlos verschwunden, Sir. Seit 4 Uhr 58 Standardzeit werden durch das Loch Gegenstände aller Art in den Raum katapultiert.«
»Was für Gegenstände?«
»Zumeist Metallteile, Sir. Das kleinste unter ihnen hat die Größe eines zwanzigstöckigen Gebäudes.«
»Sie behaupten, die Dinger fliegen einfach so davon?«
»Nicht einfach so, Sir. Erste Berechnungen weisen darauf hin, dass die Objekte in einen Orbit von etwa zweitausend Kilometern Höhe geschossen werden.«
»Aha«, machte Tifflor. »Das gibt der Sache ein anderes Gesicht! Setzen Sie die Beobachtungen fort und halten Sie mich auf dem Laufenden!«
»Selbstverständlich, Sir.«
Julian Tifflor beendete das Gespräch und wandte sich wieder Hamiller zu. »Mitgehört?«, fragte er knapp.
»Zum größten Teil«, antwortete der Wissenschaftler. »Inzwischen haben wir eine Handvoll eigener Messergebnisse vorliegen. Es scheint, dass NATHAN den gesamten Sektor Germyr ausräumt. Alles, was er dort hergestellt hat, wird durch einen riesigen Schacht nach oben befördert.«
Tifflor grinste. »Hamiller, das bleibt auf Ihnen sitzen!«
»Was?«
»Die Explosion des Mondes …«
Payne Hamillers Miene war halb unglücklich, halb belustigt. »Das wird an meinem Stolz nagen«, gestand er ein. »Aber ich bin gerne bereit, den Spott zu ertragen, solange der Mond wirklich nicht explodiert.«
»Suchen Sie ein Gespräch mit NATHAN!«
»Wird sofort unternommen«, erklärte Payne Hamiller und schaltete ab.
Der seltsame Vorgang konnte am Nachthimmel der Erde mit bloßem Auge beobachtet werden. Die Gesamtmenge der von NATHAN ausgestoßenen Teile hatte inzwischen einen lunaren Orbit erreicht, dessen Höhe über der Mondoberfläche jedoch nicht zweitausend, sondern zweitausendachthundert Kilometer betrug. Die Einzelteile bewegten sich in einem dichten Pulk. Auswertungen ergaben, dass der Pulk aus 100.000 bis 110.000 Teilen bestand.
Der Nachschub war inzwischen versiegt. Niemand wusste, was NATHAN mit dem Sammelsurium von Metallteilen anzufangen gedachte.
Gegen Mittag Standardzeit erhielt Julian Tifflor die erste Meldung, die wirklich etwas aussagte. Hamiller, der ihn anrief, hatte inzwischen die sublunaren Gefilde verlassen und befand sich in einer Beobachtungsstation westlich des Wallgebirges Plato.
»Wissen Sie, was für eine Masse das Zeug hat?«, fragte der Rat für Wissenschaften. »Rund eine Gigatonne!«
Die Zahl verschlug selbst dem Ersten Terraner den Atem. »Eine Gigatonne!«, brachte er schließlich hervor. »Eine Milliarde Tonnen!«
Julian Tifflor ging von der Annahme aus, dass aus den Teilen ein Raumfahrzeug entstehen sollte. Das bedeutete jedoch, dass die Fragmente lediglich Außenhülle und stützende Struktur darstellten. Die von Hamiller genannte Masse enthielt keinerlei Einrichtung und vor allem keinen Treibstoff, der bei modernen
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