Silberband 101 - Eiswind der Zeit
antwortete Tako Kakuta belustigt. »Es ist nicht leicht zu erklären. Man könnte vereinfachend sagen: Jeder mit einer Psi-Begabung hat gleichzeitig auch einen Sparren im Gehirn. Dieser Sparren macht sich bemerkbar, wenn der Betreffende spricht oder schreibt, manchmal auch an seinen Gesten oder an irgendetwas anderem. Jeder, der scharf genug aufpasst, kann heimliche Psi-Begabungen an dem ungewöhnlichen Gehabe ihrer Träger erkennen.«
»Mir ist nie aufgefallen, dass du dich außergewöhnlich benimmst«, sagte Tifflor verwundert.
»Danke für das Kompliment. Ich habe immerhin tausendsechshundert Jahre Zeit gehabt, an mir zu arbeiten.«
»Also ist an dem Text etwas Merkwürdiges?« Tifflor brachte das Gespräch auf das Thema zurück.
»Ja. Mich wundert, dass es dir nicht aufgefallen ist. Es geht um die merkwürdige Wiederholung: Lassen Sie auf keinen Fall Payne Hamiller an Bord! Payne Hamiller auf keinen Fall an Bord lassen! Im ersten Satz steht das ›auf keinen Fall‹ an ungewöhnlicher Stelle. Der Sprachrhythmus wird durchbrochen. ›Lassen Sie Payne Hamiller auf keinen Fall an Bord‹, hätte wesentlich glatter geklungen.«
»Hm«, machte Tifflor. »Ich erinnere mich, dass mir das aufgefallen ist. Ich habe es auf die Primitivität des Schreibers geschoben. Es gibt Leute, die glauben, sie hätten eine Sache nicht klar genug zum Ausdruck gebracht, wenn sie nicht alles mindestens zweimal gesagt haben. Allerdings habe ich an die Wortstellung keinen Gedanken verschwendet.«
»Gerade die Wortstellung ist wichtig. Die Wiederholung ist erst in zweiter Linie von Bedeutung.«
»Es handelt sich also um einen Mutanten – meinst du?«
»Meinen wir«, verbesserte Kakuta. »Es besteht ein guter Grund zu dieser Annahme, besonders wegen einer Beobachtung, die wir vor nicht allzu langer Zeit gemacht haben.«
»Ich weiß. Ihr habt schwache psionische Impulse empfangen, die nach eurer Ansicht von einer Gruppe mutierter Bewusstseine herrührten.«
Der Mutant schwieg eine Weile. Dann bemerkte er plötzlich: »Du bist dir darüber im Klaren, dass der Erde womöglich eine Bedrohung erwächst?«
Tifflor nickte. Die Kommunikation war mit dem Bildkanal verbunden. Tako Kakuta konnte ihn also nicken sehen. »Die Mutantensuche ist ein Geschäft, das in der Hauptsache von euch betrieben werden muss. Solange ihr mir keine Hinweise gebt, sind die Unbekannten relativ sicher.«
Der Erste Terraner wirkte in dem Moment sehr nachdenklich.
»Was hältst du davon, mit mir einen kleinen Ausflug zum Mond zu unternehmen?«, fragte er dann.
»Es wird Zeit, dass sich endlich etwas tut!«, rief die Stimme begeistert. »Was suchen wir auf dem Mond?«
»Ich will mir die BASIS ansehen«, antwortete Julian Tifflor. »Ich hege nicht den geringsten Verdacht gegen Payne Hamiller. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es besser ist, wenn ich nicht erst auf seinen Bericht warte, sondern die Lage an Ort und Stelle sondiere.«
Die Besucher hatten sich auf die Arbeitsstationen verteilt. Zwei waren übriggeblieben, denn es gab trotz der Größe des Raumes nur fünfzehn Plätze. NATHAN erklärte, es sei dafür gesorgt, dass die beiden Letzten sich nicht unbehaglich fühlen müssten. Prompt entstanden aus dem Nichts heraus zwei weitere bequeme Sessel.
»Sie werden an Bord dieses Raumfahrzeugs unterschiedliche Verwendungsarten für Formenergie finden«, sagte NATHAN sachlich. »Das Prinzip der Formenergie wurde der Menschheit – allerdings dem Zweig, der jetzt nicht mehr auf der Erde weilt – in Gestalt meines Abgesandten Raphael zum ersten Mal demonstriert. Formenergie ist ein Kraftfeld, das sich bei der Berührung durch den Menschen anfühlt, als bestehe es aus solider Materie, und das keinerlei Nebenwirkungen auslöst. Die Sessel, auf denen die beiden Mitglieder Ihrer Gruppe soeben Platz genommen haben, bestehen aus Formenergie. Die entsprechenden Projektoren sind unter dem Flur der Steuerzentrale angebracht. Formenergie hat den einen Nachteil, dass sie nur unter Verwendung geeigneter Projektoren zum Einsatz gebracht werden kann. Ich sagte zu Beginn, dass es an Bord dieses Fahrzeugs unterschiedliche Verwendungsarten für Formenergie gibt. Sie sind auf wichtige Funktionen beschränkt. Es ist keineswegs so, dass in jedem beliebigen Raum jeder gewünschte Gegenstand aus Formenergie erstellt werden kann.«
NATHAN ließ den Zuhörern Zeit, das Gehörte zu verarbeiten. Der Mann und die Frau, die auf den Formenergiesesseln Platz genommen hatten, erhoben
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