Silberband 102 - Aufbruch der Basis
sah, dass ein kegelförmiger Roboter neben ihm schwebte. Aus dem Ende eines der vier tentakelförmigen Arme ragte eine Kanüle hervor. Plondfair schloss daraus, dass ihm ein Medikament injiziert worden war.
Verthe erschien in seinem Blickfeld. Sie beugte sich über ihn. Ihm fiel auf, dass sie dunkle Schatten unter den Augen hatte, sonst aber wirkte sie unverändert. »Bist du in Ordnung?«, fragte sie.
Er richtete sich auf und nickte. »Und du?«, wollte er wissen.
»Ich denke schon.« Ihre Stimme hatte einen eigenartigen Unterton. Er stutzte, stellte jedoch keine Frage, zumal sie fortfuhr: »Die Schwerkraft beträgt höchstens 1,08 Gravos. Der Luftdruck ist normal. Auch sonst scheint alles so zu sein, wie es sein sollte.«
Plondfair schwang die Beine zur Seite und erhob sich von der Liege. Da er wusste, was Verthe meinte, ging er nicht auf ihre Worte ein.
»Wir sind also nicht auf Välgerspäre«, sagte sie.
»Warst du wach, als man dich hierher gebracht hat?«
»Ich habe alles gesehen. Die anderen Berufenen sind auch da. Zusammen sind wir sechsunddreißig. Ich kann nicht mit ihnen reden, denn sie befinden sich in religiöser Ekstase.«
Plondfair erging es wie seiner Gefährtin, er verspürte nicht die geringste Lust, mit den übrigen Berufenen zu reden. Er war desillusioniert, konnte aber verstehen, dass alle sich in Verzückung befanden. Wahrscheinlich wäre es ihm nicht besser ergangen, wäre er nicht durch Koßjartas Unfall veranlasst worden, sich kritisch umzusehen.
»Komm«, sagte Verthe. »Wir müssen wohl zu den anderen zurückgehen.«
Sie verließen die Krankenstation und betraten gleich darauf die Transmitterhalle. Hier warteten die Berufenen. Einige knieten auf dem Boden und blickten verklärt zur Decke hinauf. Die übrigen standen mit geschlossenen Augen da und murmelten Gebete.
»Mag sein, dass wir immer noch auf Starscho sind«, flüsterte Verthe, »vielleicht aber wirklich in unmittelbarer Nähe des Alles-Rads.«
»Ich gehe«, sagte Plondfair barsch.
»Wohin?«
»Nach draußen, falls es hier ein Draußen gibt. Auf jeden Fall verlasse ich diese Anlage. Kommst du mit?«
Sie zögerte, dann nickte sie.
Beide eilten quer durch den Raum zu einem Schott. Es öffnete sich vor ihnen, als sie eine gelbe Bodenmarkierung überschritten. Dahinter lag ein lang gestreckter Gang, dessen Ende nicht zu erkennen war. Sie liefen hinein, und das Schott schloss sich hinter ihnen.
»Keiner hat versucht, uns aufzuhalten«, stellte Plondfair fest. »Das spricht nicht gerade für ein perfektes Überwachungssystem.«
»Noch sind wir nicht draußen.«
Je weiter sie kamen, desto mehr waren sie davon überzeugt, dass sie sich nicht auf dem Riesenplaneten Välgerspäre befanden.
»Dieser Gang ist etwa einen Kilometer lang«, sagte Plondfair, als sie ein zweites Schott erreichten. Es öffnete sich vor ihnen. »Warum sollte das Alles-Rad auf eine solche Distanz die Schwerkraft künstlich senken, wenn es auf anderen Welten alles viel einfacher haben kann?«
»Der technische Aufwand erscheint allerdings unsinnig groß.«
Sie betraten einen quadratischen Raum. Eine Treppe und ein offener Liftschacht führten in die Höhe. Sie entschieden sich für die Treppe, aber schon nach etwa vierzig Stufen war sie zu Ende. Eine Tür glitt vor ihnen zur Seite, und sie blickten über eine wilde, karstige Landschaft hinweg.
Der Lufke ging noch einige Schritte weit über den felsigen Boden. Das Land lag in einem bedrohlich wirkenden roten Licht. Hin und wieder blitzte es hoch über ihm auf. Plondfair erschauerte. Deutlich erkannte er, dass sich über den Himmel mehrere Schutzschirme wölbten. Trotzdem konnte er die Wolkenbänke sehen, die in einem unglaublichen Tempo über ihn hinwegjagten. Fassungslos drehte er sich zu Verthe um, die nicht weniger verwirrt als er in der Tür stand.
»Wir sind auf Välgerspäre«, sagte er schwer. »Wir sind wirklich auf Välgerspäre – in der Hölle.«
»Wo das Alles-Rad ist, kann nicht die Hölle sein«, erwiderte Verthe tonlos.
Die Felsen waren flach und abgeschliffen. Nirgendwo zeigten sich schroffe Formen. Dennoch gewann Plondfair nicht den Eindruck, sich in einer in Jahrmillionen gealterten Landschaft zu befinden, sondern weit eher in einer Umgebung, die durch unvorstellbare Gewalten nivelliert worden war.
»Es kann nicht wahr sein«, sagte er. »Die Schwerkraft müsste sehr viel höher sein.«
Er ging weiter in das Land hinaus bis auf eine Anhöhe, von der aus er die Umgebung
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