Silberband 105 - Orkan im Hyperraum
harmlosen Roboter gegenüber so entsetzt gewesen.
Selbst bei dem gedanklichen Zerstörungsspiel hielt sich das Mädchen an etliche Tabus – nicht einmal in der Fantasie richtete sie die imaginäre Schere oder den monströsen Hammer auf lebenswichtige Anlagen wie Triebwerkskammern, Hangarschleusen, Lufterneuerungsanlagen oder Ähnliches.
Sie schrak erst aus ihren Gedanken hoch, als die Tür aufging. Sie schaute auf in der Erwartung, ihren Bruder zu sehen.
Stattdessen stand dort ein Geschöpf, dessen Körper wie ein Sitzkissen aussah, auf dessen Oberseite jemand ein Büschel langer Federn befestigt hatte. Das Wesen bewegte sich auf vier Beinen und trug einen breiten Gürtel.
Sternfeuer erkannte Douc Langur, den Forscher der Kaiserin von Therm, sah den Fremden neugierig an und wartete. Sie war gespannt, was dieses Geschöpf von ihr wollte.
»Du bist Sternfeuer?«, fragte eine mechanische Stimme.
Sternfeuer ließ sich nicht davon irritieren, dass sie neben der Translatorübersetzung auch die pfeifenden Laute von Douc Langurs Originalsprache hörte. Und völlig automatisch stellte sie sich darauf ein, dass der Forscher möglicherweise mit ihren stummen Gesten nichts anzufangen wusste.
»Ich bin Sternfeuer«, bestätigte sie.
»Du solltest versuchen, die Erde zu vergessen. Oder es wird dir nichts anderes übrig bleiben, als dich von deinem Bruder zu trennen und zur BASIS zu gehen.«
Sternfeuer starrte den Fremden an.
»Nein«, murmelte sie schließlich. »Das kann ich nicht.«
»Was kannst du nicht?«
»Die Erde vergessen oder Federspiel allein lassen.«
Douc Langur schwieg. Sternfeuer hatte den Eindruck, dass der Forscher angestrengt nachdachte.
»Eine andere Lösung gibt es nicht«, stellte der Fremde schließlich fest. »Du musst dich entscheiden. Jeder Weg ist für dich unbequem, das gebe ich zu, aber du kannst nicht beides haben.«
»Ich weiß«, erwiderte Sternfeuer. Sie wirkte jetzt überaus wachsam und konzentriert. »Ich werde versuchen, mich damit abzufinden. Niemand kann mich daran hindern, von der Erde zu träumen. Damit tue ich keinem weh.«
»Du selbst leidest darunter.«
»Das ist meine Sache.«
Wieder zögerte der Forscher. »Denke noch einmal darüber nach«, schlug er vor. »Ich komme wieder.«
Sternfeuer schüttelte verwundert den Kopf, als Douc Langur davoneilte. Sie schloss die Tür und wollte sich eben wieder mit angenehmen Wachträumen beschäftigen, da meldete die Automatik, dass jemand eine Verbindung aufzunehmen wünschte.
»Meine Eltern sind nicht zu Hause«, sagte Sternfeuer mechanisch.
Der Holoschirm wurde dennoch hell. Überrascht erkannte das Mädchen Irmina Kotschistowa.
»Ich habe noch etwas in der SOL zu erledigen«, sagte die Mutantin. »Da dachte ich mir, ich könnte dich besuchen. Oder hast du andere Pläne?«
»Nein«, sagte Sternfeuer verwirrt. Sie fragte sich, warum sich plötzlich so viele Leute um sie kümmerten. »Wo sind Sie jetzt?«
»In der Nähe der Kommandozentrale. Aber Torboros hat etwas in seiner Kabine vergessen. Er bat mich, es bei dieser Gelegenheit zur BASIS mitzubringen. Ich wollte mich gerade auf den Weg machen. Wir könnten uns dort treffen. Einverstanden?«
Sternfeuer nickte. Sie freute sich über diese Überraschung. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie die Mutantin vermisst hatte.
Etwas daran war allerdings merkwürdig. Sternfeuer war seit ein paar Tagen von ihren Eltern getrennt. Sie sehnte sich kaum nach ihnen, während der Gedanke, der Mutantin zu begegnen, sie in einen wahren Freudentaumel versetzte.
Irmina Kotschistowa hatte den Versuch aufgegeben, von Bull Genaueres über den geheimnisvollen Saboteur zu erfahren. Entweder wusste der Aktivatorträger wirklich nichts, oder er hatte sich entschlossen, seine Informationen keinesfalls preiszugeben. Fest stand, dass alle Schäden auf relativ einfache Ursachen zurückzuführen waren. Teile technischer Einrichtungen waren zerschnitten, zerrissen, zerbeult oder verbogen aufgefunden worden. Dabei schlug der Unbekannte scheinbar wahllos zu. Oft wurden verheerende Folgen allein dadurch vermieden, dass ein verhältnismäßig unwichtiges Teil vernichtet wurde – und dicht daneben lag etwas, das hätte explodieren oder sich sonst wie selbstständig machen können. Der Saboteur arbeitete mit einem Minimum an Effektivität, und das schien absurd. Häufig lagen die Schäden an nur schwer zugänglichen Stellen. Wer sich die Mühe machte, durch endlos lange enge Wartungsgänge zu kriechen, um
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