Silberband 105 - Orkan im Hyperraum
andere als gemütlich war, schlug Irmina vor, in eine nahe Messe zu gehen. Dort würden sie zwar auch dann nur Konzentrate und Synthonahrung vorgesetzt bekommen, wenn frischer Proviant verfügbar war, aber die Vorteile überwogen – die Automaten lieferten Speisen und Getränke an jeden, ohne dass es einer Legitimation bedurfte, und diese Messen waren derart schlecht besucht, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Störung durch Außenstehende zu erwarten war. Die Mutantin legte großen Wert darauf, sich mit Sternfeuer in aller Ruhe unterhalten zu können.
Sie kamen an einem kleinen Park vorbei. Um ein Wasserbecken herum wuchsen Rasenflecken, außerdem stand da ein gutes Dutzend der üblichen Containerschalen mit eingepflanzten Blumen und niedrigen Gehölzen. Solche Anlagen gab es überall in den Wohnsektoren, und Irmina Kotschistowa hatte stets den Eindruck gehabt, dass sich diese Plätze besonderer Beliebtheit erfreuten.
Jetzt stiegen ernste Zweifel in ihr auf, ob sie die Menschen, mit denen sie in der SOL lange Zeit zusammengelebt hatte, überhaupt richtig kannte.
Der Rasen war völlig zertrampelt. Die meisten Blumen waren abgerissen und lagen verwelkt neben den Schalen. Einige der Pflanzbehälter waren sogar umgestürzt worden.
»Es ist nicht überall so«, sagte Sternfeuer kaum hörbar. »Kommen Sie, hier gefällt es mir nicht mehr!«
Die Mutantin folgte dem Mädchen, das bestrebt war, den Platz schnell hinter sich zu lassen. Irmina sah sich vergeblich nach jemandem um, der ihr eine Auskunft hätte geben können. Vor allem, wer für diese Zerstörung verantwortlich war.
Plötzlich aber verlor sie alles Interesse an dem verwüsteten Park, denn sie spürte etwas, das ihr einen Schauer über den Rücken trieb. Wie durch ein umgekehrtes Fernrohr sah sie Sternfeuer – sehr klein und scheinbar weit entfernt –, und hinter dem Mädchen tauchte ein riesenhaftes Monstrum auf. Erst bei näherem Hinsehen entpuppte sich dieses krallenbewehrte Ungeheuer als Roboter mit einem Transportvorsatz und einem ganzen Sortiment von Schaufeln. Gleich darauf kam aus dem Nichts ein anderes, noch unheimlicheres Gebilde zum Vorschein, eine Art Schere, die rhythmisch auf und zu schnappte. Ein ebenfalls riesiger Hammer gesellte sich hinzu – und beides näherte sich dem Roboter.
Mühsam drehte Irmina Kotschistowa den Kopf zur Seite. Das Schnappen der Schere und das Dröhnen des Hammers waren wie ein Sog, der direkt in ihr Bewusstsein hineingriff. Erst als sie zur Seite taumelte und plötzlich kaltes Metall unter den Fingern spürte, merkte sie, dass Schere und Hammer in Wirklichkeit nicht existierten.
Entsetzt starrte Irmina den Roboter an, der unversehens auf normale Maße geschrumpft war. Die Maschine bewegte sich ruckartig. Teile ihrer Verkleidung verbeulten sich und sprangen ab, Tentakelarme fielen zu Boden. Überhaupt verwandelte sich die Maschine innerhalb von Sekunden in einen Haufen Schrott. Und direkt vor den Überresten des Roboters stand Sternfeuer.
Die Augen des Mädchens wirkten trüb. Um den Mund lag ein leichtes Lächeln. Es erlosch erst, als der Roboter still liegen blieb.
In dem Moment schien Sternfeuer aus ihrer Starre zu erwachen. Sie stieß einen Laut des Schreckens aus, hob die Hände vor das Gesicht und blickte auf die Reste des Roboters hinab, als hätte sie diese vorher gar nicht wahrgenommen.
Irmina Kotschistowa hatte das Gefühl, urplötzlich unter einen eiskalten Wasserfall geraten zu sein. Sie spürte noch diesen unheimlichen Rhythmus in sich nachklingen, und Schweiß perlte auf ihrer Stirn. Aber sie wusste auch, dass sie sich auf furchtbare Weise geirrt hatte. Nichts war in Ordnung. Was Sternfeuer bewegte, war keine leicht wandelbare Gemütsregung, die sehr schnell wieder verfliegen würde.
Als das Mädchen sich umdrehte, hatte die Mutantin sich bereits wieder im Griff. Sie lächelte, etwas verunglückt vielleicht, aber das fiel nicht auf, weil Sternfeuer es angesichts des zerstörten Roboters nicht anders erwartete.
Sternfeuer verstand nichts – zum Glück, wie Irmina Kotschistowa dachte. Sie deutete mit zitternder Hand auf den Roboter.
»Das sieht ja fürchterlich aus! Wo kommt das Ding her?«
»Ich weiß nicht«, sagte die Mutantin beruhigend. »Ist auch nicht so wichtig. Der Roboter wird wohl niemandem fehlen, so ist er ohnehin nicht zu gebrauchen. Komm jetzt, ich will hier weg.«
»Aber …«
Die Metabio-Gruppiererin schob das Mädchen vor sich her in den nächsten Gang hinein.
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