Silberband 106 - Laire
Stirn und bat treuherzig: »Kläre mich über unsere Situation auf, Kleiner. Dann verrate ich dir, was ich erfahren habe.«
Es war unglaublich, aber wahr: Trotz der Wirren während der Larenherrschaft und des langen Verschwindens der Erde aus dem Solsystem existierte noch eine der Wachstationen aus der Zeit des Solaren Imperiums.
Und nicht nur das. Dieser Stützpunkt war weiterhin so geheim wie am Tag seiner Fertigstellung, er war weder von den Laren noch den Überschweren entdeckt worden. Weil die Station inmitten der Saturnringe ortungstechnisch kaum auszumachen war. Die Laren hätten schon über sie stolpern müssen, um sie zu entdecken. Und den Loowern erging es nicht anders.
Diese Station mit der Bezeichnung ORG-Z 12 und dem Eigennamen DUCKO blieb unentdeckt. Sie war diskusförmig, durchmaß 725 Meter und hatte eine Höhe an der Mittelachse von 112 Metern. Trotz dieser Größe ging DUCKO in den Saturnringen unter.
ORG-Z 12 war bemannt und hatte auch während der über hundertzwanzig Jahre währenden Larenherrschaft eine menschliche Besatzung gehabt. Während dieser Zeit hatte die Weltraumstation sogar eine Sonderstellung eingenommen; sie hatte Rebellen Asyl geboten und war für die Agenten des NEI zum Sprungbrett in die Einsatzgebiete im Solsystem gewesen.
Die Station war ein Selbstversorger. Die in konzentrierter Form gelagerten Lebensmittel hätten eine doppelt so starke Mannschaft über fünfhundert Jahre am Leben halten können. Der Energiebedarf – wegen der Ortungsgefahr ohnehin gering ausgelegt – konnte für eine halbe Ewigkeit aus eigener Kraft gedeckt werden.
Während der Larenkrise war DUCKO nur über Transmitter zu erreichen gewesen. Diese Verbindung existierte weiterhin. Inzwischen waren die Sicherheitsbestimmungen jedoch gelockert worden. DUCKO konnte unter Anwendung eines Kodes auch mit Raumschiffen angeflogen werden.
Diese Möglichkeit war erst in jüngster Zeit genützt worden. Von siebzehn terranischen Kugelraumern verschiedener Größenordnung, in deren Schlepptau sich ein Kegelschiff der Loower befunden hatte. Danach waren die Bestimmungen sofort wieder verschärft worden.
Die Station war seitdem erneut der geheimste und am strengsten bewachte Ort im Solsystem. Die Mannschaft war an die Isolation gewöhnt und fand sich damit ab. Die Mehrheit hatte nicht einmal eine Ahnung, was der wahre Grund für diese Geheimhaltung war.
Zur Stammbesatzung gehörten die beiden Siganesen.
Vavo Rassa galt nach siganesischen Begriffen als nicht gesellschaftsfähig. Nicht nur, dass er mit seiner Größe von 101,22 Millimetern ein wahrer Riese unter den Vertretern seiner Generation war, besaß er zudem Laster, die für jeden traditionsbewussten und sittenstrengen Siganesen undenkbar waren.
Rassa war keines von beidem, sondern weit eher gefräßig und trinkfreudig. Er galt als der fetteste und hässlichste Siganese seiner Generation, was sein Beiname ›Bulle‹ ausdrückte. Diese Eigenschaften betreffend war er geradezu ein Ertruser en miniature.
Zu allem Überdruss war er so eitel, dass er sich die schwarzen Locken geschnitten und den Schädel kahl geschoren hatte, damit jeder, wie er es ausdrückte, den herrlichen Glanz seiner lindgrünen Kopfhaut bewundern könne.
Das alles sehr zum Leidwesen Rayn Versers, der in jeder Beziehung ein typischer Vertreter des neuen siganesischen Adels war. Wohlerzogen und zurückhaltend, voll innerer Würde und stolzer Haltung. Auf Siga wurde niemand wegen seiner Abstammung geadelt – man adelte sich selbst durch Erscheinung und Auftreten, die Art, sich zu bewegen, zu reden und zu schweigen.
Trotz seiner Jugend – Rayn Verser war erst 172 Jahre alt und somit gerade der Kindheit entwachsen – hatte er sein Studium als Diplomphysiker abgeschlossen. Seine Arbeit ›Vom Einsatz geringer Howalgoniummassen zur Entzerrung überlöslicher Konstante-Brücken‹ hatte ihm eine gewisse Berühmtheit verschafft.
Vavo Rassa – mit 198 Jahren ebenfalls kein siganesischer Methusalem – war durch seine Exzesse berüchtigt geworden. Doch als Mikroingenieur stand er seinen Mann. Er hatte den scharfen Blick eines Mikroskops, seine sensiblen Finger waren empfindliche Instrumente.
Trotz aller Gegensätze bildeten die beiden Siganesen ein gut eingespieltes Team und waren für DUCKO unersetzlich.
»Einige deiner Formulierungen gefallen mir gar nicht«, sagte Vavo Rassa, als sein Kamerad endlich schwieg. »Wenn einer von der rechten Lebensart keine Ahnung hat, dann bist du
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