Silberband 106 - Laire
Er kam nur, um die beiden verwundeten Paratender abzuholen und sie auf den distanzlosen Schritt nach Delta-Tansor mitzunehmen. Als er auf der ehemaligen terranischen Kolonialwelt materialisierte, war er allein. Ein einziger Gedanke hatte ihm genügt, sich der beiden Paratender im Hyperraum zu entledigen.
Tansor war eine unwirtliche Eiswelt. Die wenigen kurzzeitig bebaubaren Landstriche hatten früher nicht einmal ausgereicht, um die zweihunderttausend in Kuppelstädten lebenden Einwohner mit Agrarprodukten zu versorgen. Nachdem mehr als die Hälfte der Bevölkerung zur Erde abgewandert war, standen die Wohnkuppeln fast leer.
Die Paratender unter Norquunds Führung fanden in den verwaisten Silos einen ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln und technischen Geräten. Sie konnten praktisch aus dem Vollen schöpfen, denn die anfänglichen Widerstände hatte Margor auf einfache Weise beseitigt, indem er die Wirtschaftstreuhänder von Tansor zu Paratendern gemacht hatte.
»Wie läuft es?«, fragte Margor, als er Steve Norquund in der Verwaltung eines Ausrüstungslagers gegenüberstand.
»Zwei Container stehen bereit. Sie sind mit der geforderten Ausrüstung beladen. Es gibt keine Schwierigkeiten mit der Vorratsbeschaffung. Noch ahnt die Bevölkerung von Tansor-Stadt nicht, dass ihre Vorratslager geplündert werden. Wir haben uns nach allen Seiten abgeschirmt. Sage mir, was du brauchst, und ich beschaffe es dir, Boyt.«
»Das höre ich gerne, Steve«, sagte Margor zufrieden. »Ich brauche die komplette Ausrüstung für drei neue Hyperraumnischen oder besser gesagt, für eine Superklause mit dem Volumen von drei Normalnischen. Lebenserhaltungssysteme, Nahrungsvorräte für einige hundert Personen, Waffen, Kampfanzüge, eben alles, was für die Versorgung einer schlagkräftigen Truppe nötig ist. Und vergiss die Bauelemente nicht. Du weißt, dass jede Klause in ihrer Grundausstattung nur zehn Decks hat. Diese sollen in viele Bereiche unterteilt werden.«
»Du willst neue Hyperraumnischen erschaffen?«, fragte Norquund. »Woher willst du die Leute nehmen, sie zu besetzen?«
»Du gehst zu weit, Steve«, sagte Margor streng. »Sieh zu, dass du das Material beschaffst. Alles andere lass meine Sorge sein.«
»Entschuldige, Boyt. Ich wollte mich nicht in Belange einmischen, die mich nichts angehen.«
Margor wartete bis die Container herbeigeschafft waren, und nahm sie mit in seine Großraumnische. Von Deck 5 schwebte er dann im Antigravlift nach oben, um nach seinen Neuerwerbungen von Jota-Tempesto zu sehen. Für sich bezeichnete er sie inzwischen als Tempester.
Inzwischen war Deck 9 nicht mehr so kahl. Es gab ein halbes Dutzend Medo-Betten, in denen die Tempester untergebracht waren. Ringsum standen medizinische Geräte. Aber das nahm Margor nur unterbewusst wahr.
Er sah das Mädchen an einem der Betten stehen und auf den darin liegenden Tempester einreden. Es war Goro, der allem Anschein nach den Status eines Anführers besaß. Während die anderen schliefen, war Goro bei Bewusstsein.
In seinem ersten Zorn wollte Margor Baya davonjagen. Aber dann besann er sich eines anderen. Vielleicht war es für ihn interessant, herauszufinden, wie die Tempester auf das entelechisch geschulte Mädchen reagierten.
Es war nicht nur Neugierde, die Baya zu Deck 9 hinuntertrieb, sondern es spielte auch Mitleid eine Rolle und die Hoffnung, unter den neuen Paratendern vielleicht Verbündete zu finden.
Sie wartete einen Wutanfall der Neuen ab, der von deren Bewachern mit einer Paralysatorsalve beendet wurde. Danach zogen sich der Arzt und die Wachtposten zurück, und für Baya war der Weg frei.
Sie musste eine Weile ausharren, bis endlich einer der Paralysierten aus der Starre erwachte.
»Ich bin Baya Gheröl«, sagte sie. »Wie heißt du?«
Der Angesprochene öffnete die Augen und bewegte die Lippen, aber es dauerte, bis er sich artikulieren konnte.
»Goro?«, wiederholte Baya, um sich zu vergewissern. »Das ist ein schöner Name. Du kannst Baya zu mir sagen. Werden wir Freunde, Goro?«
»Ich bin jedermanns Freund.«
»Na, ich weiß nicht … Ich habe euch beobachtet und gesehen, wie verzweifelt ihr euch gegen Boyts Unterdrückung gewehrt habt. Glaube mir, Goro, das ist sinnlos. Boyt unterdrückt jeden Widerstand im Keim. Man kann ihn nicht mit Gewalt ändern, aber er ist kein hoffnungsloser Fall.«
»Boyt ist der Träger des Totems.« Langsam erwachten Goros Lebensgeister, seine Finger zuckten, er drehte den Kopf. »Er ist der
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