Silberband 106 - Laire
betrachtete es aufmerksam und fand schließlich einen hauchdünnen Ring direkt über dem positronischen Schloss. Jemand hatte die Räume versiegelt, natürlich erst nach der Übersiedlung der Terraner zur BASIS. Hatten Gavro Yaals Anhänger befürchtet, radikale SOL-Geborene würden diese Kabinen plündern? Rhodan schloss die Tür so energisch, als könnte er alle trüben Erinnerungen aussperren. Als der Interkom summte, schrak er zusammen.
»Was gibt es?«, fragte er schroff, als er Yaals Gesicht vor sich sah.
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie erreichbar sind«, antwortete der Biologe seelenruhig.
»Nun wissen Sie es«, murmelte Rhodan und unterbrach die Verbindung.
Er fragte sich, wo er ansetzen sollte. Noch vor wenigen Stunden wäre sein erster Gedanke gewesen, sich mit Joscan Hellmut über alles zu unterhalten. Der Sprecher der SOL-Geborenen war ein vernünftiger Mann, der den Eindruck erweckt hatte, als sei er gegen Yaals Pathos immun. Hellmut sehnte wie alle anderen im Schiff den Augenblick herbei, ab dem die SOL nur noch denen gehörte, für die sie zur Heimat geworden war. Aber er war immer bereit, sich um Verständnis zu bemühen – eine Bereitschaft, die Rhodan bei anderen SOL-Geborenen oft schmerzlich vermisst hatte. Leider schien es diesmal sogar Hellmut erwischt zu haben. Genau wie Breiskoll, von dem der Terraner sich mehr erwartet hatte – mehr wovon?
Er setzte sich und dachte darüber nach.
Am meisten störte ihn, dass niemand in der SOL nur einen Hauch von Bedauern zu empfinden schien, dass die Wege von Terranern und SOL-Geborenen sich trennen sollten. Das grenzenlose Selbstvertrauen, mit dem diese Menschen ihrer Zukunft entgegensahen, bereitete ihm Unbehagen. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass gekränkter Stolz in diesem Unbehagen steckte. Diese Wahrheit war unangenehm, aber er musste sie akzeptieren.
Alles konnte er verstehen, sogar die Ungeduld, mit der die SOL-Geborenen die vermeintliche Bevormundung durch die Terraner abzuschütteln versuchten. Er machte ihnen deshalb keine Vorwürfe mehr – über dieses Stadium war er hinaus, denn das Ringen dauerte schon zu lange. Aber er konnte und wollte nicht akzeptieren, dass mit der Verbindung zur BASIS und damit zum Planeten Terra auch alle persönlichen Bindungen vergessen sein sollten. Verwandtschaft, Freundschaft, Liebe – es war, als hätte ein unsichtbares Skalpell ohne Rücksicht auf Verluste alles voneinander getrennt. Wohin die so operierten Patienten schließlich gingen, hing nicht von den gerade amputierten Gefühlen ab. Nur Alter und Herkunft waren ausschlaggebend. Und während drüben auf der BASIS so mancher unter den Nachwirkungen der Operation litt, hatten die SOL-Geborenen den Eingriff zweifellos glänzend überstanden.
Bjo Breiskoll hatte nicht einmal nach Alaska Saedelaere gefragt!
Rhodan verließ die Kabinenflucht. Er wandte sich entschlossen dahin, wo er zwangsläufig auf viele SOL-Geborene treffen musste – er fuhr ins nächste Solarium, um dort etwas zu essen und im Gespräch vielleicht das eine oder andere zu erfahren.
Fast gewohnheitsmäßig achtete er unterwegs auf Menschen, denen er mehrmals begegnete oder die sich in irgendeiner Weise auffällig verhielten. Er bemerkte aber nichts Ungewöhnliches.
Im Freizeitbereich ließ er sich spontan auf der steinernen Einfassung eines Zierbrunnens nieder und blickte auf die Grünanlagen hinab. Blumen leuchteten im künstlichen Sonnenlicht. Auf den Rasenflächen saßen Gruppen von SOL-Geborenen. Andere tummelten sich in den Sportanlagen. Kinder spielten ausgelassen in einer Gravitationsfontäne. Sie ließen sich in den von bunten Lichtstrahlen gekennzeichneten Schwerefeldern bis unter den künstlichen Himmel hinauftragen und sanken mit weit ausgebreiteten Armen wieder herab.
Es war also doch nicht alles verändert worden. Nach Irmina Kotschistowas Bericht hatte Rhodan schon befürchtet, Anlagen dieser Art würde es in der SOL nicht mehr geben. Er hatte sich innerlich gegen den Anblick zertrampelter Pflanzen gewappnet, sich darauf vorbereitet, statt Rasen nur noch kalte Metallflächen zu sehen – aber erst jetzt wurde ihm bewusst, wie tief ihn diese Aussichten erschreckt hatten.
»Sie sind keine Barbaren!«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Perry Rhodan fuhr herum und sah Douc Langur erschrocken an.
»Kommen Sie!«, sagte der Forscher der Kaiserin von Therm gelassen. »Ich glaube, ich kann Ihnen alles besser zeigen,
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