Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
an ihre Unterhaltung mit Jako dachte. Dieser eine Tempester war nicht mehr so unwissend, wie Margor und seine Vertrauten glaubten.
Die Frischfleischverwertungsanlage inmitten der Pampas wurde als Schlachthaus 5 bezeichnet, Pion Roderon wurde als Schlächter geführt. Aber diese Anlage war mehr als nur ein Schlachthaus, und Roderon fühlte sich nicht als Schlächter.
Er beaufsichtigte nur die Förderbänder, über die alle betäubten Tiere zur vollrobotischen Schlachtung geführt wurden, beaufsichtigte die Häutung und Zerteilung der Tiere, die ebenfalls vollautomatisch ablief, und sorgte dafür, dass das Fleisch der Dehydrierung zugeführt wurde. Ihm unterstanden ein halbes Dutzend Roboter für Handlangerdienste, und wenn Not am Mann war, forderte er Gauchoroboter aus jener Truppe an, die frei lebende Rinder einfingen und entweder redomestizierten oder für die Schlachtung freigaben.
Roderon saß in einem Glaskasten und kontrollierte die Robotanlagen von seiner zentralen Schaltstelle aus. Auf dreißig Monitoren konnte er die einzelnen Phasen der Tierverwertung verfolgen. Es war ein ruhiger Job, den er gewissenhaft verrichtete. Die Menschheit brauchte Fleisch, er sorgte für Nachschub.
Er begann um zwei Uhr nachmittags und wurde um 18 Uhr bei Schichtwechsel abgelöst. Die vier Stunden dazwischen waren monotone Routine. Nie ereignete sich etwas Aufregendes.
Aber dann brach an einem der letzten Tage des Jahres 3586 die Katastrophe über das Schlachthaus herein.
Roderon sah auf einem seiner Überwachungsschirme eine Veränderung. In einem Rinderpferch war ein Tumult ausgebrochen. Zwischen den Tieren befanden sich plötzlich Menschen. Sie machten die Tiere nervös, sodass eine Stampede zu befürchten war.
Roderon traute seinen Augen nicht, als er sah, wie einer der Unbekannten ein Rind hochhob und in hohem Bogen über die Herde schleuderte. Ein anderer packte ein Tier bei den Hörnern, zwang es zu Boden und brach ihm mit einer ruckartigen Bewegung das Genick. Fassungslos starrte der Schlächter auf die Szene. Ohne den Blick abzuwenden, löste er Alarm aus. Die Gauchoroboter wurden zur Unterstützung gerufen.
Roderon zählte acht Personen. Ein weiterer Fremder hielt sich etwas außerhalb des Aufnahmebereichs. Der Schlächter sah von ihm nur eine Hand und ein Bein. In der Hand hielt der Unbekannte einen röhrenförmigen Gegenstand, der sich zu den Enden hin erweiterte.
Roderon schenkte ihm weiter keine Aufmerksamkeit, sondern verfolgte das Geschehen im Pferch.
Einer der Männer wurde von einem Rind auf die Hörner genommen. Er hielt sich fest, und als er mit den Füßen Halt fand, zwang er das Tier in vollem Lauf zu Boden.
Die Situation spitzte sich zu. Die Tiere, denen noch kein Betäubungsmittel injiziert worden war, wurden wilder.
Endlich kamen die Gauchoroboter mit ihren Paralysepeitschen. Die Eindringlinge stürzten sich mit barbarischer Wildheit auf die Roboter und schlugen sie mit den bloßen Fäusten zu Schrott.
Roderon suchte vergeblich nach einem Motiv für diesen Vandalismus. Die Eindringlinge waren keine Viehdiebe, die ihren eigenen Rinderbestand aufbessern wollten, sie handelten in blanker Zerstörungswut.
Als das chaotische Spektakel seinen Höhepunkt erreicht hatte, beruhigten sich die Fremden allmählich. Zwei von ihnen blieben in der Arena zurück. Der eine war offensichtlich tot, von den Rindern zu einem formlosen, blutigen Etwas zertrampelt. Der andere schien nur bewusstlos zu sein. Er lag zusammengekrümmt in einer Ecke des Pferchs, seine Rechte war zerschmettert.
Die sechs verbliebenen Fremden zogen sich gemächlich zu dem Mann am Rand des Aufnahmebereichs zurück. Sobald ihnen ein Tier zu nahe kam, wehrten sie es mit wuchtigen Schlägen ab.
Als die sechs den stillen Beobachter erreichten, verschwanden sie, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
Roderon zweifelte an seinem Verstand. Aber gerade dieser unerklärliche Vorfall veranlasste ihn, Imperium-Alpha zu verständigen, noch bevor er Maßnahmen ergriff, die Ordnung wiederherzustellen.
Bereits zehn Minuten später erfuhr Homer G. Adams von dem Vorfall auf der argentinischen Hochebene. Nach Begutachtung des Filmmaterials, das ihm über Hyperkom zuging, schickte er die Gäa-Mutanten Bran Howatzer, Eawy ter Gedan und Dun Vapido zum Schauplatz des Geschehens.
Sie verhörten Roderon, nahmen die originalen Bilddaten an sich und brachten den Überlebenden mit der zerschmetterten Hand nach Imperium-Alpha.
»Das ist Boyt Margors Werk«,
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