Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
einzige Spore zu sehen!«
Ein heftiger Knall – und wenige Schritte vor ihm wölbte sich ein Stück Decke nach unten.
»Eine Sporenkapsel!«, rief Dreamer. »Aber Pilobolus schleudert seine Sporen doch nur gegen das Licht.«
»Was ist über uns?«
»Das Sumach-Hospital!«, entfuhr es einem schreckensbleichen Siganesen.
Cavarett rannte schon zum nächsten aufwärts gepolten Lift und sprang hinein.
Diesmal sah es ganz anders aus, als er den Liftschacht verlassen wollte. Die weißlichen Wucherungen von Pilobolus Zaltertepeus Matris streckten ihre schenkeldicken Wülste bereits durch den Ausstieg. Bagno brannte sie mit mehreren Flammenstößen weg und ließ sich dann von einem anderen Mann ablösen, der die Bresche vertiefte.
Sie kämpften wie die Wahnsinnigen, denn ihnen saß die Furcht davor in den Knochen, dass die hilflosen Patienten des Sumach-Hospitals von den Pilzwucherungen bei lebendigem Leib aufgefressen würden.
23.
»Wer bist du?«, fragte eine laute Stimme. Sie benutzte Interkosmo, nicht die Sprache der Loower. Deshalb dauerte es eine Weile, bis Baya Gheröl darauf reagierte und verstand, was die Stimme gefragt hatte.
Sie hob den Kopf und sah sich um.
Wenige Schritte hinter ihr stand ein Mensch – ein junger Mann in weißem, wallendem Gewand. Auf dem Kopf ein ebenso weißes Käppchen, in der rechten Hand einen unterarmlangen goldenen Stab.
Langsam stand Baya auf. Sie wusste nicht, was sie vom Erscheinen des jungen Mannes halten sollte, hatte sie sich eben noch in der Falle feindlicher Wesen geglaubt. Im Gesicht des Mannes war keine Spur von Bösartigkeit zu erkennen.
»Ich heiße Baya Gheröl. Wer bist du?«
Er lächelte.
»Ich bin Sindbad, der Raumfahrer. Hast du schon von mir gehört, schöne Prinzessin?«
Vielleicht hätte ihm jeder andere Mensch geglaubt. Baya Gheröl hatte auf dem Rücksiedlerschiff Filme betrachtet, die Märchen aus Tausendundeiner Nacht enthielten – deshalb wusste sie, dass Sindbad eine orientalische Märchengestalt war. Außerdem kein Raumfahrer, sondern ein Seefahrer.
Das entelechische Denken sagte ihr, dass jemand, der sie so belog, Böses im Sinn haben musste. Außerdem sagte ihr das zielgerichtete entelechische Denken, dass sie, wenn sie überleben wollte, selbst nicht die Wahrheit sagen durfte, sofern sie ihr Nachteile einbringen konnte. Deshalb schüttelte sie den Kopf.
»Nein, überhaupt nichts«, antwortete sie, ohne zu ahnen, dass das Zittern ihrer Stimme und ihre Beteuerung statt einer bloßen Verneinung sie verrieten.
»Was tust du auf Shuma?«, wollte Sindbad wissen.
»Ich gehe spazieren, bis mein Schiff wieder landet und mich abholt.«
»Es sieht so aus, als hättest du dich verlaufen.«
»Ich habe nur etwas verloren«, erwiderte Baya. Im nächsten Moment durchlief es sie heiß und kalt, und sie fürchtete sich davor, dass der Fremde ihr anbot, bei der Suche zu helfen, und dass er das Auge fand.
»Ich kann dir helfen, es wiederzufinden«, sagte der Fremde tatsächlich wenige Sekunden später. »Wie sieht es denn aus?«
Verzweifelt überlegte Baya, was sie Sindbad erzählen sollte. Die Wahrheit wollte sie nicht sagen. Wenn sie das Auge beschrieb, war die Gefahr groß, dass der Fremde es fand.
Wo nur der Helk bleibt!
Sindbad lächelte. »Nun, eine Frau kann nicht Hunderte Kilometer an einem Tag gehen. Folglich befindet sich der Gegenstand in der Nähe: Und da es auf diesem Planeten keine technischen Erzeugnisse gibt – jedenfalls nicht an der Oberfläche –, werde ich den Gegenstand sofort erkennen, wenn ich ihn sehe.«
Eine Frau?, überlegte Baya. Wie kann er mich mit einer Frau verwechseln? Ich bin für ein siebenjähriges Mädchen sogar noch zu zart und zu klein!
»Ich rate dir, mir zu folgen«, sagte Sindbad. »Allein findest du wahrscheinlich nicht hinaus.«
»Was war das für ein ballartiges Ding, das hier hereingehüpft ist?«, fragte Baya, einer impulsiven Eingebung folgend.
Zum ersten Mal wirkte Sindbad verlegen.
»Das – das war wohl ein Muti.« Schnell wandte er sich um und ging zwischen zwei Klippen hindurch.
Baya eilte hinter ihm her. Erst als sie die grasbewachsene Ebene betraten, überlegte sie, dass Sindbad sie gar nicht ins Freie hatte führen müssen. Der Weg hätte genauso gut noch tiefer in dem Irrgarten enden können.
Dieser Widerspruch mit den unlauteren Absichten, die sich hinter der Lüge verbergen mussten, verwirrte Baya aber nicht lange. Nach nicht einmal fünf Minuten schnellen Gehens sah sie weit vor
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