Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Kukelstuuhr-Diener passen nicht in das Bild, das ich mir von der Schleierkuhle gemacht habe. Du hast gehört, dass sie von Murcon nichts wissen?«
»Dafür scheinen sie die Geister der Vergangenheit umso besser zu kennen.«
»Sie haben zweifellos von ihnen gehört. Ich bin aber nicht sicher, ob sie selbst schon einem Geist begegnet sind. Ihre Reaktion zeigte unsägliches Erschrecken – als hätten sie niemals erwartet, in dieser Region auf einen Geist zu treffen. Bedenke, dass wir seit der zweiten Prüfung von den Geistern verschont geblieben sind, obwohl einer von ihnen Rache geschworen hat. Es würde mich nicht überraschen, wenn es in der Schleierkuhle eine Zone gäbe, die von den Geistern nicht betreten werden kann.«
Der Humpelnde Tantha schwieg dazu. Er äußerte sich auch nicht, als Pankha-Skrin den Weg fortsetzte – in dieselbe Richtung, in der die Blasshäutigen geflohen waren. Da der Quellmeister mit seinen Gedanken beschäftigt war, vergingen die nächsten drei Viertelstunden, ohne dass ein einziges Wort fiel.
Dann hatte der Stollen ein Ende. Er mündete in einen nicht allzu großen, rechteckigen Raum, der keinen zweiten Ausgang besaß.
Pankha-Skrin blieb stehen. »Wer soll das begreifen?«, murmelte er. »Die Priester müssen hier vorbeigekommen sein. Wohin sind sie verschwunden?«
»Sie können in einen der Seitengänge abgebogen sein«, versuchte der Humpelnde Tantha zu erklären.
»Sie haben Scheu vor den Seitengängen. Außerdem gab es auf der letzten Wegstrecke nur noch wenige Kreuzungen. Sie müssen hier vorbeigekommen sein. Und die Lösung des Rätsels, die dritte Prüfung – sie warten hier auf uns. Ich spüre es deutlich.«
Der Quellmeister schickte sich an, die Wände abzusuchen. Es musste eine verborgene Tür geben. Während er suchte, reagierte das Skri-marton heftiger als zuvor. Es gebärdete sich, als wolle es ihm eine dringende Botschaft zukommen lassen.
Pankha-Skrin brach die Suche ab. Ihm wurde klar, dass der entscheidende Augenblick gekommen war. Eine fremde Kraft versuchte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen.
Er hockte sich auf den Boden, weil von dem langen Marsch seine Glieder inzwischen so stark schmerzten, dass er in der Konzentration behindert wurde. Der Humpelnde Tantha tat es ihm gleich. Als Pankha-Skrin sich dem Gefährten zuwandte, sah er an dessen leuchtenden Augen, dass auch der Zaphoore unter dem Bann der fremden Kraft stand, die sich ihnen offenbaren wollte.
Pankha-Skrin konzentrierte seine Gedanken auf das schmerzhafte Pochen des Skri-marton. Er hörte eine Stimme. Sie klang machtvoll, aber nicht so unangenehm laut wie die der Geister. Sie bediente sich auch nicht akustischer Signale, sondern sprach unmittelbar zu seinem Bewusstsein.
»Ich bin der Mächtige Murcon. Daran, dass meine Stimme erklingt, nehme ich wahr, dass endlich einer in diese Gefilde vorgedrungen ist, zu dem zu sprechen sich lohnt. Ihr seid auf dem Weg ins Innere meiner Burg. Ihr seid auf der Suche nach dem Schlüssel zu dem Geheimnis, das Murcon umgibt. Ich werde euch das Tor öffnen. Aber vorher sollt ihr erfahren, was sich in der Vergangenheit ereignet hat.«
Er berichtete. Von Arqualov, dem ersten Gast, der von der Einsamkeit übermannt worden war und seinen Gastgeber bat, ihm die Gefährtin seines Lebens mitzubringen. Von Irritt und ihren Genossen Parlukhian, Tanniserp, Lauridian und Sinqualor. Von der Schar Freibeutern, die bald ein Volk bildeten.
Er berichtete von der Verschwörung, von dem Feldschiff, das explodierte, als sich die Freibeuter ihm näherten, und schließlich von seiner Rache.
»Seitdem irren die Geister der Vergangenheit ruhelos durch die Gänge der inneren Burg und ernähren sich von der Qual ihrer Nachfahren«, schloss die Stimme. »Ich habe sie aus der Region des Innersten verbannt. Wo ihr euch befindet und weiter einwärts seid ihr vor den Geistern sicher.«
Eine kurze Pause trat ein, die Pankha-Skrin geistesgegenwärtig nützte, um einen Gedanken zu formulieren.
Ich möchte einige Fragen stellen. Wirst du mir zuhören?
Kurze Zeit darauf war Murcons Stimme wieder zu hören.
»Was aus Irritt geworden ist, sollt ihr später erfahren. Meine Rache an den Verrätern war furchtbar, und Irritt war das Werkzeug, das die Strafe bis zur Vollkommenheit schärfte. Auch Irritt lebt noch – ebenso wie Arqualov und seine Genossen. Alle bereuen während jeder Sekunde ihres Daseins die Untreue, die sie mir gegenüber gezeigt haben.«
Abermals trat eine kurze Pause
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