Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
kräftigenden Schlafes. Die Loower, dessen war er sicher, würden schon beizeiten kommen.
Er hatte sich als Sucher bezeichnet.
Es musste sie interessieren, zu erfahren, wonach er suchte.
Eine Nacht verging. Erst als die Sonne wieder aufgegangen war und sich im Meer spiegelte, erschien der erste Besucher. Es war Kerm-Tzakor.
Nachdem Ganerc-Callibso ihn eingelassen hatte, stellte der Loower die üblichen Fragen nach seinem Wohlbefinden. Ganerc antwortete mit der gebotenen Freundlichkeit, brachte aber mit keinem Wort die Sprache auf den Grund seines Besuchs.
»Du nennst dich einen Sucher«, erinnerte Kerm-Tzakor schließlich. »Du hoffst, auf dieser Welt Spuren zu finden. Wir sind bereit, dir zu helfen, wenn es in unseren Kräften liegt.«
Das war eine deutliche Aufforderung. Wenn du uns sagst, wonach du suchst, können wir dir vielleicht helfen, bedeutete sie.
»Ich bin auf der Suche nach einem Objekt, das großen Wert für mich besitzt und das ich in der Weite des Alls, an einem schwer zugänglichen Ort, sicher glaubte. Bei meinem letzten Besuch stellte es sich heraus, dass das Objekt verschwunden war. Ich durchsuchte die gesamte Umgebung und stieß auf die Spur eines einzelnen Raumschiffs. Ihr folgte ich bis zu einem Punkt, wo sie sich mit der Fährte anderer Raumfahrzeuge vereinigte und im Hyperraum verschwand.
Schließlich gelangte ich in diese Galaxis. Ich entdeckte ein einzelnes, verlassenes Raumschiff, das sich auf einem Kurs befand, der der Bewegung eurer Sonne parallel verläuft. Daher komme ich, um zu erfahren, ob ihr mir helfen könnt. Ihr seid offenbar in unmittelbarer Nähe des Punktes gewesen, an dem ich das wertvolle Objekt aufbewahrte.«
Kerm-Tzakor antwortete nicht sofort. Er hatte seine Augenstiele nur so weit ausgefahren, dass die Augen knapp aus dem höckerigen Organkranz hervorstachen. Obwohl Ganerc-Callibso die loowerische Physiognomie nicht zu lesen verstand, gewann er den Eindruck, dass der Loower in tiefes Nachdenken versunken war.
»Hoffentlich deutest du mit deinen Worten nicht an, dass wir dir das wertvolle Objekt entwendet haben sollen«, sagte Kerm-Tzakor nach einer Weile.
»Das wäre nahezu unmöglich. Das Objekt ist von beachtlicher Größe. Außerdem hat es nur für mich einen Wert.«
»Du verschaffst mir Erleichterung.« Kerm-Tzakor ließ einen Laut wie ein Seufzen vernehmen. »Wir sind ebenfalls auf der Suche. Das Ziel unserer Suche ist ein Objekt, wenn du es so nennen willst, das für das Volk der Loower von unbeschreiblichem Wert ist. Aber nur für uns. Auf der Suche nach diesem Objekt durchstreifen wir seit undenklicher Zeit das Universum und haben überall unsere Spur hinterlassen, die darauf hinweist, dass ein bestimmter Sektor des Universums von uns bereits durchsucht wurde.«
Ganerc horchte auf. »Wie sieht diese Spur aus?«, fragte er.
»Du magst sie gesehen haben, Callibso, ohne zu ahnen, dass wir sie hinterließen. Es sind halb in Trümmern liegende Gebäude, deren Grundriss ein Neuneck beschreibt, und an jeder der neun Ecken erhebt sich ein mächtiger Turm.«
Ganerc hatte Mühe, seine Gelassenheit zu wahren.
»Ihr seid die Trümmerleute!«, stieß er hervor. »Und euer Ziel ist die Materiequelle!«
Kerm-Tzakor fuhr die Augen zwei Fingerbreit weiter aus dem Organkranz und musterte sein Gegenüber aufmerksam.
»Du bist ein Eingeweihter«, stellte er überrascht fest. »Es wird beiden Seiten helfen, wenn wir miteinander sprechen.«
In der Mitte der Siedlung ragte ein Gebäude fünfzig Meter hoch auf. Es hatte das Aussehen eines Turmes. Im Innern gab es nur einen einzigen Raum. Sitzbänke waren kreisförmig um ein Podest herum angeordnet. Die Loower nannten das Bauwerk den Turm der Besinnung. Hier traf Ganerc-Callibso mit den Sprechern der Siedlung zusammen, um über sein und ihr Anliegen zu reden.
Die Geschichte der Loower, die er als ›Trümmerleute‹ kannte, war dem ehemaligen Mächtigen in Umrissen bekannt.
Die Trümmerleute, hieß es, waren einst das Söldnervolk von einer Gruppe Mächtiger gewesen, die lange vor Ganerc und seinen Brüdern auf Geheiß der Mächte jenseits der Materiequelle ausgezogen waren, um Leben und Intelligenz in der Weite des Alls zu verbreiten. Niemand wusste, was aus den Mächtigen geworden war, in deren Dienst die Trümmerleute gestanden hatten. Die Trümmerleute aber entgingen aus irgendeinem Grund dem Schicksal, das Söldnervölkern üblicherweise vorbestimmt war. Sie versanken nicht in fortschreitender Dekadenz, sondern
Weitere Kostenlose Bücher