Silberband 110 - Armada der Orbiter
Aber nun zum Rückflug. Alles wie gewohnt. Die JACK LONDON wird nicht nach Orsafath zurückkehren, sondern Dennox III anfliegen. Dort wird die Beute geteilt.« Sie sah sich Beifall heischend um.
»Es hört sich viel zu einfach an«, murmelte Simudden düster.
Die anderen lachten nur.
Als sie eine Stunde später an Bord gingen, hatte Simudden den Haken an der Geschichte noch nicht herausgefunden. Das Veratron kam ihm vor wie eine Bombe, die jederzeit hochgehen konnte. Er behandelte das Gerät wie ein rohes Ei, und in einem Labor der JACK LONDON setzte er seine Untersuchungen fort.
Die Stimmung an Bord war prachtvoll. Nur zwei Flibustier fühlten sich nicht ganz wohl. Der eine war Brush Tobbon. Der Epsaler schmollte, weil es diesmal keinen Kampf Mann gegen Mann geben würde. Der andere war Pearl »Panika« Simudden, der sich immer tiefer in das mikrotechnische Innenleben des Veratrons wagte. Was er fand, gefiel ihm nicht. Aber er entdeckte noch nichts, was er als Bedrohung hätte deuten können. So blieb er in dem Labor und arbeitete, anstatt den Anflug auf Xirdell zu genießen und sich nach Flibustierart in Stimmung zu bringen.
Die Stunden vergingen schnell. In der JACK LONDON sah es aus, als feiere man ein Bordfest. Aber der Schein trog. Ein Flibustier hatte es nicht nötig, sich Mut anzutrinken. Als das Schiff wenige Lichtjahre vor Xirdell in den Normalraum zurückkehrte, damit die Lage sondiert werden konnte, befanden sich alle zum Dienst eingeteilten Flibustier auf ihren Plätzen, und sie waren stocknüchtern.
Der Ausguck – eigentlich die Ortungszentrale – meldete keine Aktivitäten im Raum um Xirdell. Das System erschien wie leer gefegt.
Panika, der die Durchsagen im Labor mithörte, fühlte angesichts dieser Stille eine Gänsehaut. Er roch es förmlich, dass die JACK LONDON in eine Falle flog. Es machte ihn krank, dass niemand an Bord auf ihn hören wollte. Von hilfloser Wut erfüllt, starrte er das Veratron an, und am liebsten hätte er das Ding mit Wucht an die nächste Wand geworfen.
»Wir setzen den Anflug fort!«, erklang Kayna Schattens Stimme über Interkom.
»Kurs liegt an!«, meldete Tobbon grollend. Er hatte die Rolle des Piloten übernommen.
Panika ballte die Hände zu Fäusten, seine Gedanken überschlugen sich. Er vermied es, das Veratron noch einmal anzusehen, als er das Labor verließ und zur Zentrale ging. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihm im letzten Moment das Geheimnis des Veratrons offenbarte, war zu gering, um damit eine Hoffnung zu verbinden.
In der Zentrale war fast alles versammelt, was an Bord Rang und Namen hatte. Tobbon saß an den Hauptkontrollen, ein Klotz von einem Mann, runde zwei Meter hoch und fast genauso breit. Er trug schon die hellgelbe Kampfkombination, die fast so etwas wie sein Markenzeichen geworden war. Seine großen plumpen Hände, deren Haut braun und rissig wie die Rinde eines alten Baumes war, bewegten sich erstaunlich behutsam, wenn er den Kurs korrigierte. Das Schiff war seine große Liebe – und seine einzige dazu.
Neben ihm saß die Planerin. Ihre dunklen Augen hingen gebannt an den Schirmen, auf denen schon in den nächsten Sekunden Xirdell erscheinen musste. Dezibel und Treffner standen nahe dem Zentralschacht. Sie waren ein seltsames Paar, Dezibel klein und gebeugt, der Ara hingegen hochgewachsen und steif aufgerichtet. Der Galaktische Mediziner war die Ruhe selbst. Dezibel bewegte unruhig die Hände, und seine riesigen weißen Augenbrauen zuckten nervös. Von Dezibel war bekannt, dass er mitunter Skrupel entwickelte. Da der Mathematiker auf dem Planeten Olymp aufgewachsen war und in gerader Linie von Terranern abstammte, reizten ihn die Flibustier manchmal mit der Behauptung, sein terranisches Erbgut sei ihm bei der Ausübung wahren Piratentums im Wege.
Simudden gesellte sich zu ihnen und bemerkte erstaunt, dass Axe, das »Faktotum«, auf seinen krummen Beinen ruhelos durch die Zentrale wanderte, als hätte er nichts anderes zu tun.
»He, Axe!«, rief der Akone. »Bring mir einen Becher Kaffee!«
Axe drehte sich um und nickte, und Panika beobachtete ihn – der Bursche sah wirklich einem Affen ähnlicher als einem Menschen, mit seiner fliehenden Stirn und der platten Nase, schwarz behaart und untersetzt. Jeder an Bord wusste, dass Axe die Chefin der Flibustier bewunderte. Er schien unentwegt zu hoffen, dass Kayna sich eines Tages dazu entschloss, sich wie eine Frau zu benehmen – und ausgerechnet ihn zu ihrem Gefährten zu machen.
Weitere Kostenlose Bücher