Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
zog Vljegah mit sich. Akustikdurchsagen begleiteten sie.
»Achtung, die Reisenden in Röhre siebenunddreißig! Die Bahn in Richtung Kaiserlicher Palast über die Stationen Francis-Drake-Platz, Henry Morgan Street und Mary Read Building fährt in zwei Minuten ab.«
Da Vljegah nicht schnell genug zu Fuß war und weil keine Zeit für Erklärungen blieb, warf Jost sich seine Gefährtin einfach über die Schulter und setzte zum Spurt an. Er konnte nicht mehr wegkommen, wenn er den angesagten Zug nicht erreichte. Schon in den nächsten Minuten würden wieder Invasoren in die Station eindringen. Sobald sie ihresgleichen bewusstlos und entwaffnet vorfanden, würden sie wohl alle als schuldig ansehen, die sich noch im Stationsbereich befanden.
Als der Liga-Kundschafter die Röhrenzuführung erreichte und die Wagen abfahrbereit schweben sah, wurde er noch einmal schneller. Blindlings rannte er auf die nächste Tür zu – und stürzte sich durch die vor ihm entstehende Öffnung.
»Der Zug ist geschlossen!«, rief die Lautsprecherstimme. Offenbar hatte die Überwachungsautomatik mehrere Personen registriert, die vom Transportband aus heranstürmten.
Jost grinste spöttisch, weil die Überwachung nicht erkannte, dass die Rennenden keineswegs in friedlicher Absicht kamen.
Sekunden später geschah zweierlei: Die Röhrenbahn setzte sich in Bewegung – und die Invasoren prallten in vollem Lauf gegen das unsichtbare Sicherheitsfeld, das den Zug abschloss und Unfälle verhinderte. In diesem Fall verhinderte es, dass die Invasoren auf den Zug schossen, denn bevor sie wieder auf die Beine kamen, war der Zug jenseits der Krümmung des Tunnels sicher.
»Du Grobian!« Vljegah versetzte Jost einen Rippenstoß, der ihn nach Luft schnappen ließ. »Transportiert man eine Dame so? Warum nannten die Invasoren die Leute vorhin eigentlich Garbeschianer?«
Der Kundschafter schnaufte noch einmal.
»Du hast natürlich nur mit halbem Ohr den Aufruf von Dagorew gehört, Vljegah. Andernfalls hättest du mitbekommen, dass die Feinde uns Menschen als Garbeschianer bezeichnen. Womöglich ist diese Invasion ein einziges großes Missverständnis.«
»Dagorew ist ein imponierender Mann. Vielleicht heirate ich ihn. Einen Fürsten habe ich noch nie zum Mann gehabt.«
Jost seufzte. »Es reicht, dass du Tifflor und mich heiraten wolltest. Außerdem ist Nurim kein richtiger Fürst. Dieser Titel und andere Bezeichnungen wurden aus der Blütezeit der Freifahrer überliefert. Auf manchen Schiffen werden sie noch verwendet – aus Tradition sozusagen. Als Titel für die Regierung sind sie ebenfalls noch gebräuchlich.«
»Schade.« Die Chaioanerin zog einen Schmollmund. »Ich hatte schon gehofft, mit einem echten Fürsten ...«
Der Zug bremste ab.
»Das wird eine hübsche Strecke, die wir zu Fuß gehen müssen«, meinte Jost.
Doch der Zug hielt lediglich in der Station Francis-Drake-Platz. Etwa achtzig Olympier stiegen zu. Von Invasoren war glücklicherweise nichts zu sehen.
»Sind oben schon Fremde?«, erkundigte sich Jost bei einer Springerfrau.
Sie musterte ihn, wobei ein undeutbarer Ausdruck in ihre Augen trat. »Meinst du die Orbiter, mein Sohn?«, fragte sie kratzig.
»Orbiter?«
»So nennen sich die Strolche, die Olymps heiligen Boden besudeln!«, keifte sie. »Ja, sie lümmeln oben auf dem Francis-Drake-Platz herum und plündern die Souvenirläden, um sich die Taschen mit Bildern von Lovely Boscyk und Roi Danton vollzustopfen.«
Sie tippte Jost mit einem Finger an die Brust. »Falls du weißt, wie es beim Container-Transmitter aussieht, dann sag es mir, mein Sohn!«
»Er wird inzwischen besetzt sein«, antwortete der Liga-Kundschafter. »Als ich zur Stadt flog, gingen die ersten Keilschiffe gerade auf den Raumhäfen nieder.«
Die alte Springerin gebrauchte ein Schimpfwort, das alles andere als damenhaft war.
Vljegah kicherte. »Wolltest du dich mit dem Container-Transmitter ins Solsystem befördern lassen, Mütterchen?«, fragte sie.
»Das wäre an sich gar nicht so schlecht, süßes Kind«, erwiderte die Springerin. Dann lachte sie schallend. »Mütterchen ist gut! Na, vielleicht sehen wir uns unter anderen Umständen wieder. Ich muss gleich aussteigen, weil ich in der Station Henry Morgan Street den Zug nach Containtrans-Station zu erreichen hoffe.«
»Dort dürfte es nicht gerade gemütlich sein«, gab Jost zu bedenken.
Der Zug lief in die Station Henry Morgan Street ein und hielt. Die Türen öffneten sich.
»Das macht
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