Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
»Schnell!«, befahl er. »Und wegen unserer Gesundheit zerbrechen Sie sich nicht unsere Köpfe!«
»Schon gut, schon gut!« Abwehrend hob der Techniker die Hände. »Ich beuge mich der Gewalt.«
Er musterte die Kontrollen, schüttelte den Kopf und nahm die ersten Schaltungen vor.
Die Verteilerplattform versank im Boden. Als sie wieder nach oben kam, waren die kleinen Kapseln verschwunden. Auf der Plattform lagen jetzt drei sarggroße geöffnete Transportbehälter.
Calvario schwang sich als Erster auf die Plattform und streckte sich in einer der Kapseln aus. Jost und Vljegah folgten seinem Beispiel.
Der Kundschafter registrierte sofort die dicke Polsterung der Kapsel. Natürlich mussten alle Waren gegen die Beschleunigungskräfte gesichert werden.
Die Transportbehälter schlossen sich selbsttätig. Augenblicke später nahm Jost wahr, dass seine Kapsel sich bewegte. Danach lag sie wieder still – und kurz darauf glaubte er, zerquetscht zu werden. Cern Jost konnte in dem Moment nicht einmal mehr denken.
Die Beschleunigung ließ sofort wieder nach. Aber in kurzen Abständen wurde die Kapsel noch einmal nachbeschleunigt.
Wie lange? Der Kundschafter vermochte es nicht zu sagen. Eine Ewigkeit, nur wenige Momente? Sein Zeitempfinden geriet völlig aus den Fugen.
Bremskräfte wurden mehrmals wirksam. Dann, von einem bangen Moment zum nächsten, verloren sich diese Empfindungen.
Stille.
Jost spürte, dass er atmete. Er lag in einem wunderbar ausgepolsterten Sarg und atmete. Er brauchte gar nicht erst anzufangen, gegen die Wand zu trommeln. Niemand würde ihn hören.
Zehn Minuten schon?
Mühsam hob er den linken Arm und versuchte, die Zeitanzeige des Kombiarmbands abzulesen. Er schaffte es nicht. Die holografische Anzeige verschwamm vor seinem übergehenden Blick.
Allmählich befürchtete er, der Techniker könnte ihn an ein stillgelegtes Ziel befördert haben. Irgendwohin, wo keiner mehr war.
Er schwitzte. Fragte sich, wie lange die Atemluft reichen würde. Unwillkürlich atmete er hastiger. Er schaffte es nicht mehr, sich zur Ruhe zu zwingen. Die Luft schmeckte schon schal. Er roch seinen Schweiß, die wachsende Furcht, die ihn nicht mehr losließ. Der Versuch, auf diese Weise in den Palast zu gelangen, war aberwitzig gewesen. Zu jeder anderen Zeit, aber doch nicht jetzt, wenn die Orbiter alles lahmlegten ...
Ein Geräusch fraß sich durch seine Einsamkeit.
Schritte? Stimmen? Er fantasierte bereits, weil der Sauerstoff knapp wurde. Er war schweißgebadet.
Ein Schaben. Der Sargdeckel wurde zurückgeklappt. Die jähe Lichtflut blendete Jost.
»Auch das ist er nicht, Fürst«, hörte er eine tiefe Stimme sagen.
Er blinzelte hektisch. Versuchte, mehr als nur verzerrte Schatten über sich zu erkennen. Er räusperte sich. Krächzte. »Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich doch im Palast angekommen.«
»Ein Witzbold!«, sagte die tiefe Stimme. Cern Jost sah nun schon so etwas wie ein Gesicht. Ein zweites Gesicht war plötzlich daneben; es nahm Konturen an, wirkte gar nicht so fremd.
»Cern, alter Casanova!«, sagte eine Stimme, die er kannte. »Junge, kommst du direkt aus dem Solsystem?«
Der Kundschafter atmete auf. Er spürte, wie seine erstarrte Miene zum Grinsen wurde.
»Du meinst, ich wäre durch euren Container-Transmitter gekommen, Jürgo.« Gierig atmete er die frische Luft. Er hustete, würgte, redete trotzdem weiter. »Das nicht ... Ich war schon auf Olymp. Urlaub, Jürgo. Könnte ruhig darauf verzichten, wird ja doch wieder ... Arbeit. Hilft mir keiner aus diesem Sarg heraus?«
Fürst Jürgo Wolfe-Simmer lachte. Er packte zu und hob den keineswegs schwächlich gebauten Liga-Kundschafter mühelos aus der Kapsel.
»Nogo, hilf du bitte der Dame und dem alten Herrn aus ihren Botanisiertrommeln!«, wandte er sich an einen Edelmann.
»Jawohl, Fürst!«
Es klapperte, dann gab es einen dumpfen Aufprall.
»Ich bin kein alter Herr!«, schimpfte Calvario. »Warum liegen die Kapseln auf so gefährlich hohen Gestellen?«
Cern Jost wandte den Kopf. Er sah, dass der Raumfahrer von der Kapsel auf den vielleicht fünfzig Zentimeter tiefer liegenden Boden gestürzt war. Vljegah wurde unterdessen von einem Mann aus ihrer Kapsel gehoben. Das schweißnasse Haar klebte ihr wirr am Kopf.
»Eigentlich haben wir Kaiser Argyris erwartet, als die Kontrollen die Sendung anzeigten«, meinte Jürgo Wolfe-Simmer.
»Warum das?«, fragte Jost.
»Weil es in der letzten halben Stunde einige Aktivitäten gab, die
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