Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
zu sagen, ob der Mann ihn überhaupt wahrnahm.
»Schön.« Er machte eine alles umfassende Handbewegung. »Die Lakikrath-Fälle sind ein grandioses Schauspiel.«
Der andere ging weiter. Er wirkte nicht nur müde, er war offensichtlich am Ende seiner Kräfte. Tekener hielt ihn am Arm zurück.
»Ich weiß nicht, was du vorhast – aber lass es sein. Auf die Weise wird nichts besser. Wie heißt du eigentlich?«
Schweigen.
Erst nach einigen Augenblicken brachte der Tekheter etwas hervor, was wie »Doomvar« klang.
»Es geht dir nicht gut, Doomvar?«
Ein überraschter Augenaufschlag war die einzige Reaktion. Der Mann zitterte leicht. Er war süchtig, kein Zweifel.
»Du brauchst Munarquon?«, fragte Tek, einer Eingebung folgend. »Mehr, als dir Margors Paratender zugestehen wollen?«
Zum ersten Mal schien sein Gegenüber ihn wirklich anzusehen. Erst bebten Doomvars Lippen, dann zitterte er am ganzen Leib. Er hatte Mühe, dem Terraner einigermaßen ruhig seine Hände entgegenzustrecken – als wisse er plötzlich, dass der ihm helfen könne.
Tekener fischte in der Tat ein kleines Folienpäckchen aus einer Innentasche seiner Jacke hervor. Als er die Folien vorsichtig auf seiner linken Handfläche auffaltete und die winzigen kristallinen Körner sichtbar wurden, lebte Doomvar geradezu auf. Heftig riss er mehrere Blätter von einem Busch ab. In einem davon ließ er die Nässe zusammenlaufen, die wie ein trüber Film überall haftete.
»Für mich!«, stieß er heftig hervor und streckte Tekener die Hand mit dem Blatt entgegen.
»Nur wenn du mir einige Fragen beantwortest.«
Doomvar nickte hastig. Kaum hatte Tek die Kristalle in das bisschen Wasser geklopft, leckte der Tekheter das Blatt schon gierig ab.
Sein Gesicht entspannte sich merklich. Er lächelte und atmete befreit auf.
»Warum geht ihr Tekheter Lakikrath aus dem Weg?«, fragte Tekener.
»Tabu«, antwortete Doomvar. Er schob sich das Blatt in den Mund und kaute eine Weile darauf herum. »Wir machen um alle Kulturzeugnisse der Prä-Zwotter einen Bogen. Die Legenden sagen, dass die Prä-Zwotter noch gegenwärtig sind, obwohl sie vor Zehntausenden von Jahren verschwanden. Sie sind noch da, als eine andere, für uns nicht fassbare Lebensform.«
»Das Tabu wird bei den anderen Ruinenstätten nicht so streng eingehalten. Was hat Lakikrath Besonderes?«
Doomvar zog das Blatt wieder zwischen den Zähnen hervor und betrachtete es eindringlich. Offenbar suchte er nach anhaftenden Kristallen.
»Von Lakikrath kommen immer wieder Berichte über seltsame Erscheinungen und Vorgänge«, sagte er zwischendurch. »Es heißt, dass Zwotter in den Tempelruinen erscheinen. Weibliche Zwotter sogar. Dabei hat nie jemand Zwotterfrauen zu Gesicht bekommen, nicht einmal auf Zwottertracht selbst. Also kann es sich nur um Reinkarnationen von Prä-Zwottern handeln.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Tekener.
»Ist doch einfach.« Doomvar seufzte tief. »Ich weiß nicht, wie sich Zwotter vermehren, womöglich wachsen sie auf Stachelpflanzen. Die Zwotterfrauen sind jedenfalls vor hunderttausend Jahren oder so ausgestorben. Oder sie sind auf eine andere Daseinsebene abgewandert. Sie waren die Schöpfer der Psychode und der Kultstätten wie Lakikrath. Die Männer, heißt es, waren nie schöpferisch begabt, sie degenerierten. Wenn also irgendwo eine Zwotterfrau erscheint, kann es sich nur um eine Prä-Zwotter handeln. Lakikrath muss für sie eine besondere Bedeutung haben, hier sind Reinkarnationen gesehen worden, nirgendwo sonst. Die Geister eines ausgestorbenen Volkes ...« Er schüttelte sich. »Deshalb macht man besser einen Bogen um Lakikrath.«
»Und warum habt ihr wirklich Angst vor den Prä-Zwottern, Doomvar?«
Tekener hatte nicht alle Munarquon-Körnchen auf das Blatt geschüttelt. Akribisch genau faltete er das Folienstück wieder zusammen. Das Material schloss den Inhalt hermetisch ein.
Der Tekheter kicherte. Blitzschnell versuchte er, das Munarquon an sich zu nehmen. Aber der Terraner war schneller und schloss die Finger um das kleine Päckchen.
»Das da besiegt jede Angst.« Doomvar zeigte auf Tekeners Faust. »Ich kann frei über das Tabu reden. Auch über die Psychode, die Kunstwerke der Prä-Zwotter. Sie üben einen verderblichen Einfluss aus. Ihre Ausstrahlung bringt den Wahnsinn. Sie zersetzen den Geist mit dem schleichenden Gift ihrer parusischen Sendungen. In den Psychoden leben die Geister der Prä-Zwotter. Es gibt in Lakikrath bestimmt viele
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