Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
wenn nicht? Machen wir, dass wir weiterkommen.«
Tek schoss auf die Wurzeln. Dichter Qualm breitete sich aus und zwang ihn und Jennifer ein Stück weit zurück. Ungeduldig wartete er, bis sich das beißende Aroma verflüchtigt hatte.
Im Licht der kleinen Handlampe gingen sie weiter.
Vor ihnen lag ein geradlinig verlaufender Gang. Der Boden war glitschig, dichtes Moos und Pilzgeflecht bedeckten die Wände. Von der Decke hingen Wurzeln herab. Tekener ging gebückt, die Waffe hielt er entsichert in der Hand.
Ein Schemen huschte durch den Stollen und verschwand ebenso schnell wieder. Diesmal war die Erscheinung deutlicher gewesen, fast schon eine schemenhafte Gestalt.
»Also doch keine optische Täuschung«, bemerkte Jennifer im Flüsterton.
Tekener schwieg.
Jeden Moment auf eine neue Begegnung gefasst, setzten sie den Weg fort.
Tatsächlich erschien das seltsame Etwas noch einige Male, und jedes Mal wirkte es dichter als zuvor. Einzelheiten bleiben dennoch verborgen.
»Vielleicht wollen die Unbekannten Verbindung mit uns aufnehmen«, mutmaßte Jennifer.
»Geisterbeschwörung?«
Tekener zuckte zurück, als die Erscheinung nahe vor ihm entstand. Ihm war, als sehe er eine fast menschliche Physiognomie. Doch als er zupackte, griff er ins Leere.
»Du hast es verscheucht«, sagte seine Frau vorwurfsvoll. »Weil du zu aggressiv reagierst. Der oder die Unbekannten könnten deine Haltung als feindselig einstufen und die Kontaktversuche abbrechen.«
»Das verrät dir deine Intuition? Gut, ich werde mich zusammenreißen, Lockrufe von mir geben und den Irrwisch zu kraulen versuchen.«
»Du bist ein unverbesserlicher Zyniker. Ein Ignorant obendrein. Mittlerweile sollte dir klar geworden sein, warum alle Tekheter die Tempelruinen scheuen. Sie fürchten sich nicht vor der technischen Hinterlassenschaft der Prä-Zwotter, sondern vor übernatürlichen Vorgängen.«
Mehrere Meter vor ihnen entstand die seltsame Erscheinung wieder. Sie war jetzt ein dreidimensionales Gebilde mit fünf langen Auswüchsen, einem Seestern nicht unähnlich. Einer der Auswüchse krümmte sich, als winke er. Jennifer ging spontan darauf zu – aber da war schon nichts mehr.
»Du hättest ihm etwas Liebes sagen sollen, statt ihn zu verscheuchen«, spottete Tek.
Erst jetzt registrierte er, dass vor ihnen ein Lichtschimmer die Düsternis aufhellte. Das Rauschen des Wasserfalls war zu beachtlicher Stärke angeschwollen. Nässe hing in der Luft.
Es wurde rasch heller, als sie weitergingen. Der Stollen endete in freiem Gelände. Hinter einer letzten Tempelruine toste eine undurchdringliche Wand aus feinstem Wasserstaub. Das Donnern des fallenden Wassers war mit einem Mal ohrenbetäubend laut.
Jennifer schrie etwas, das Tekener nicht verstand. Er kauerte bereits hinter einem zerborstenen Steinsockel, als sie zu ihm aufschloss und ihm zeigte, was sie entdeckt hatte. Kaum mehr als zwanzig Meter entfernt standen zwei Gestalten.
Es waren Menschen, weder Vincraner noch Tekheter, sondern offenbar Terraner. Paratender.
Die Gesten des einen ließen erkennen, dass sie sich trennen wollten. Tatsächlich entfernten sie sich gleich darauf in unterschiedliche Richtungen.
Tekener grinste. Er zog Jennifer zu sich heran.
»Offenbar haben sie keine Möglichkeit, unsere Zellaktivatoren zu orten, sonst wären sie nicht so ahnungslos an uns vorbeigegangen«, sagte er ihr ins Ohr.
Der Mann war groß und schlank. Sein knochiges Gesicht ließ die eingefallenen Wangen deutlich erkennen. Er war ein Tekheter, und er hatte den unsteten Blick und das nervöse Zucken eines Süchtigen, der unter Entzugserscheinungen litt.
Tekener beobachtete ihn schon eine Weile und war sicher, dass er keinen von Margors Paratendern vor sich hatte. Der Mann wirkte unschlüssig. Er starrte hinüber zu den endlos anmutenden Wasserfällen.
Wie jemand, der mit dem Leben abgeschlossen hat, bedeutete ihm Jennifers Geste. Tek nickte verbissen. Falls der Mann mit einem Gleiter gekommen war, stand das Fahrzeug weiter entfernt, es war jedenfalls nirgendwo zu entdecken.
Tekener gab seiner Frau das Zeichen, in Deckung zu bleiben. Er selbst schlug einen kleinen Bogen zur Seite und trat erst gut dreißig Meter entfernt auf die Lichtung hinaus.
»Hallo«, sagte er laut, um das stete Tosen zu übertönen. »Ich bin Scrugg.«
Der Mann vor ihm reagierte nicht. Erst als Tekener fast schon auf Tuchfühlung nahe war, wandte er sich für einen Moment um.
Sein Blick war leer. Tek vermochte nicht einmal
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