Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
verschlug es mich mehrmals in die Nähe der Menschlinge. Von ihnen droht keine Gefahr. Es würde sich sogar lohnen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie könnten uns sehr nützlich sein.«
Ahrzaba empfand ein erhebendes Gefühl, als Tezohr von sich als von einem der Ihren sprach.
»Ihr könnt euch zurückziehen«, sagte er. »Ich werde hier auf die Menschlinge warten und ihnen entgegentreten.«
»Es ist schlimm, dass mein Volk so tief gesunken ist«, klagte Tezohr, während er vor Tekener und Jennifer durch einen Gang eilte. Irgendwo voraus erscholl Kehrilas durchdringender Gesang. »Aber wer konnte erkennen, dass es so kommen würde?«
»Darüber werden wir uns später unterhalten, Majestät«, sagte der Terraner nicht ohne einen gewissen Spott. »Erst holen wir dein Psychod zurück.«
»Ja, gewiss. Das ist wichtig.«
Sie hatten beinahe Mühe, mit Tezohr Schritt zu halten. An einer Abzweigung lauschte er, aber von Kehrila war nichts mehr zu hören.
»Wir müssen uns trennen.« Der Gnom wandte sich nach links.
Tekener bedeutete seiner Frau, dass er bei dem Zwotter bleiben wolle. Deshalb lief Jennifer allein weiter.
Die Gänge waren noch gut erhalten. Öllampen brannten in regelmäßigen Abständen. Jenny fragte sich, wie lange dieser Abschnitt des Labyrinths den Mitgliedern der Zwotterkolonie schon als Unterschlupf dienen mochte. Doomvar hatte behauptet, dass die Geistererscheinungen in Lakikrath seit Jahrzehnten bekannt waren.
Kehrila wiederum hatte ausgesagt, dass sie von Zwottertracht stammte. Jennifer mutmaßte, dass diese Zwotter einst zu den Vertrauten von Boyt Margors Vater gehört hatten. Das war die einzige Antwort dafür, dass sie statt Vincranisch Interkosmo sprachen – oder sangen.
Sie konzentrierte sich wieder auf die Suche nach Kehrila. Ihr war, als hörte sie von fern den typischen Singsang. Sie drang in einen Quergang ein und näherte sich tatsächlich der Quelle des Gesangs.
Jennifer erreichte ein größeres Gewölbe. Hier brannten keine Öllampen. Noch bevor sie sich an das Dämmerlicht gewöhnte, spürte sie an ihrer Seite eine Bewegung. Der jämmerliche Sprechgesang setzte wieder ein. Er erklang auf einmal von allen Seiten und aus vielen Kehlen.
Hände zerrten an ihrer Kleidung. Etwas kletterte an ihrem Rücken hoch, und in der nächsten Sekunde landete eine kleine Gestalt auf ihrer Brust. Sie verlor den Halt und stürzte. Schon waren viele Leiber über ihr.
Es mussten acht oder zehn Zwotter sein, genau konnte Jenny das nicht erkennen, denn sie waren ständig in Bewegung. Zwotter ohne weibliche Attribute. Also Frauen im Wechsel zur Mann-Phase oder bereits zu Männern degeneriert. Ihr Geschrei tat Jennifer weh. Sie schrie sogar selbst, um das enervierende Kreischen zu übertönen.
Jäh wurde es still. Und hell. Die Zwotter ließen von ihr ab und verkrochen sich.
Andere Zwotter kamen mit Öllampen. Weibliche Zwotter. Sie führten eine Frau zwischen sich, die das Königspsychod trug. Nur daran erkannte Jennifer, dass sie Kehrila sah.
»Ich überbringe das Auge des letzten und einzigen Königs, der über unser Volk wacht.« Mit diesen Worten hielt Kehrila Jennifer das Psychod entgegen.
»Nimm es nur«, sagte eine andere Zwotterfrau, als Jennifer zögerte. »Es hat seine parusische Kraft verloren, weil Tezohr verwirklicht wurde.«
Als Jennifer Thyron das Psychod vorsichtig ergriff, zuckte sie zusammen. Sie spürte noch eine starke Ausstrahlung, obwohl die Zwotterfrau das Gegenteil behauptet hatte. Aber die auf sie einströmenden Impulse waren nicht mehr so bestimmt wie noch vor Kurzem, sondern eher allgemein. Jennifer vermutete, dass ein Teil davon in den Zwotter Tezohr übergegangen war. War es sein Ich, die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit, die dem Königspsychod nun fehlte?
»Ich bin Ahrzaba«, stellte sich die Frau vor, die sie ermuntert hatte, das Psychod an sich zu nehmen. »Zwischen uns ist nichts mehr, was zu Misstrauen und Feindseligkeit Anlass geben könnte.«
»Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Jennifer Thyron. Mein Gefährte heißt Ronald Tekener.«
»Wir haben euch lange beobachtet«, gestand Ahrzaba ein. »Wir waren stets in eurer Nähe, aber ihr konntet uns nicht sehen.«
»Dafür haben wir euren Einfluss zu spüren bekommen – falls ihr es gewesen seid, die die Pflanzen und Tiere von Lakikrath erst zu unserem Vorteil und später gegen uns beeinflusst haben. Oder hattet ihr keinen Einfluss darauf?«
»Wir haben das bewirkt«,
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