Silberband 112 - Die Energiejäger
kann es nur die Burg sein.«
»Den Gedanken fortgeführt, heißt das: Kemoauc braucht Helfer, wofür auch immer«, stellte Rhodan fest. »Und Helfer kann er nur bei den Eingeborenen finden.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Atlan. »Kemoauc sollte schon vor einer Million Jahren geplant haben, dass die damals vielleicht noch gar nicht existierenden Planetenbewohner den Berg besteigen und ihm helfen? Das klingt zu fantastisch.«
»Zugegeben«, gestand Bull ein. »Andererseits konnte Kemoauc langfristig planen. Und er wusste schließlich, dass schon Jahrzehntausende genügen, aus instinktbegabten Halbwilden durch Mutation Intelligenzbestien entstehen zu lassen.«
Rhodan lehnte sich zurück. »Einige Pilger sind schon oben«, sagte er. »Ich möchte wissen, wie es ihnen ergangen ist.«
Der Priester Vernaz arbeitete sich entschlossen weiter vor. Von den hundert Pilgern, mit denen er vorweg aufgebrochen war, lebten nur noch zweiundachtzig. Die anderen, unter ihnen zwei Wärmehüter, waren abgestürzt. Der Verlust schmerzte Vernaz, ließ ihn aber keineswegs in Untätigkeit versinken.
»Wir haben es gleich geschafft, Leute!«, rief er den Pilgern zu. »Ich kann es schon sehen.«
Vor ihm erhob sich eine Eiskuppe. An ihr vorbei sah er Teile dessen, was sich in die Teppon-Kluft gesenkt hatte. Eis und Schnee bedeckten das Wunder.
Vernaz überwand die Kuppe und hielt inne. Voller Stolz stellte er fest, dass er vor allen anderen den Gipfel erreicht hatte und als Erster das Wunder sah.
Zugleich reagierte er ein wenig enttäuscht. Er hätte nicht zu erklären vermocht, was er sich während des Aufstiegs vorgestellt hatte. Jedenfalls etwas anderes als Eis und Schnee, die ohnehin schon neunzig Prozent von Matazema bedeckten. Ein Wunder, das den Dallazen seit Hunderttausenden von Jahren angekündigt war, durfte nichts mit Schnee und Eis zu tun haben.
Als die Pilger zu ihm aufschlossen und stumm auf die bizarren Eisgebilde und die weiten Schneeflächen blickten, nahm er sich jedoch zusammen. Vernaz spürte, dass sie ebenso enttäuscht waren wie er und dass er als Priester eingreifen musste. Er wandte sich ihnen zu und hob die Arme.
»Freunde und Brüder!«, rief er. »Ich fühle, dass ihr nicht zufrieden seid. Unter Lebensgefahr habt ihr euch nach oben gekämpft, um zu sehen, was sich in die Teppon-Kluft gesenkt hat. Und was seht ihr? Schnee und Eis.«
Einige Männer murrten unzufrieden. Sie machten Anstalten umzukehren, aber die nachdrängenden Pilger hinderten sie daran.
»Seid nicht undankbar«, fuhr Vernaz fort. »Überlegt und gebraucht euren Verstand. Vor einigen Tagen hat sich das Wunder vollzogen. Seitdem ist viel Schnee gefallen. Eisstürme sind über das Dgakor-Gebirge hinweggezogen. Wurden sie uns nicht angekündigt? Sind sie nicht Teil der Prophezeiung? Ist nicht alles so gekommen, wie es im Teppon-Buch steht? Also seid nicht ungeduldig. Verlasst euch darauf, dass noch mehr geschehen wird. Ich weiß es.«
»Das kann niemand wissen«, widersprach der letzte der Wärmehüter.
Doch kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen, da fing das Eis etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt zu knacken an. Gleich darauf leuchtete es von innen heraus rot auf.
Die Pilger wichen atemlos zurück.
Nur Vernaz blieb stehen. Seine Knie zitterten, aber er war sich darüber klar, dass dies der größte Triumph seines Lebens werden konnte, und er wollte um keinen Preis darauf verzichten, jetzt in vorderster Front zu stehen. Dies sollte die Stunde sein, die ihm Ruhm einbringen und seinen Namen unsterblich machen würde, wenn er nicht versagte.
Mit hoch erhobenen Armen ging er auf das rot leuchtende Eis zu.
»Teppon, höre mich!«, rief er. »Wir sind gekommen, um dir zu dienen.«
Die Pilger warfen sich zu Boden, doch sie konnten den Blick nicht von dem leuchtenden Eis abwenden. Derartiges hatte keiner von ihnen jemals gesehen, und nie hatte jemand davon gesprochen, dass Eis leuchten konnte wie Feuer.
Einige Schritte vor dem sich so geheimnisvoll verändernden Eis blieb Vernaz stehen. Er wagte kaum mehr zu atmen, denn das Eis brach auf. Überall bildeten sich Spalten und Schründe. Etwas aus der Tiefe drängte mit unwiderstehlicher Gewalt empor. Das Eis platzte in groben Schollen weg. Vernaz wich vorsichtshalber einige Schritte zurück.
»Fürchtet euch nicht, Brüder!« Seine hallende Stimme ließ nicht erkennen, wie sehr er sich fürchtete. »Seht das vielfache Wunder! Ihr seid die Ersten am Berg, und diese Stunde
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