Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Wächter dieser Station sein«, stellte der Vario fest und ließ in seiner Jekyll-Stimme Überraschung mitschwingen. »Hat meine Anwesenheit Sie aus dem Tiefschlaf geweckt? Aber warum erscheinen Sie dann erst jetzt?«
Der Mann war groß und hager, hatte dichtes, dunkles Haar, das von Silberfäden durchzogen und an den Schläfen grau meliert war. Sein von Falten durchfurchtes Gesicht zeugte von hohem Alter. Er stand dennoch aufrecht und wirkte ungewöhnlich vital. In seinen klaren Augen blitzte der Schalk, den Mund umspielte ein leicht belustigtes Lächeln. Er mochte hundertfünfzig Jahre alt sein, aber wirklich zu schätzen war sein Alter nicht. Auf gewisse Weise erschien er dem Vario widersprüchlich, obwohl der Roboter nicht analysieren konnte, warum das so war.
»Lassen wir die Förmlichkeiten, Vario«, sagte Stevenson erheitert. »Ich bin ebenso wenig ein Mensch wie du. Es stimmt zwar, dass du mich geweckt hast, aber das geschah, als du den kniffligen Schaltplan für die Laser-Projektoren enträtselt und sie eingeschaltet hast.«
»Dann bist du ein Hologramm!«, stellte der Vario fest. »Du bestehst aus reinem kohärenten Licht. Wie ist es möglich, dass ich das nicht anmessen kann?«
»Aus demselben Grund, aus dem andere dich nicht als Roboter identifizieren, wenn du eine deiner Kokonmasken trägst«, erwiderte Stevenson.
»Das ist fantastisch.« Der Vario versuchte, sein Gegenüber zu durchleuchten. Aber seine Ortungsgeräte kamen immer wieder zu demselben Ergebnis, nämlich dass er einen Menschen aus Fleisch und Blut vor sich hatte. Das Hologramm schien ohne Schwachpunkt zu sein, es wies stofflich alle Eigenheiten eines Menschen auf und besaß darüber hinaus sogar ein eigenes Id-Muster. Die gemessenen Werte ließen den Vario fast an Stevensons Aussage zweifeln, dass er nur ein Hologramm sei.
»Es ist unglaublich, dass du nur ein Produkt der Laser-Projektoren sein sollst. Ich habe zwar mit einer ähnlichen Projektion gerechnet, nachdem ich den Schaltplan erfasste, doch nicht mit dieser Perfektion.«
»Es ist, wie ich sage«, versicherte Stevenson. »Ich bin nur ein Hologramm. Aber bei aller Bescheidenheit muss ich zugeben, dass ich schon etwas Besonderes bin, davon abgesehen, dass ich optisch wie auch ortungstechnisch ein Mensch zu sein scheine. In dieser Beziehung sind wir uns sehr ähnlich, und es gibt weitere Gemeinsamkeiten.«
»Dagegen verwahre ich mich«, erwiderte der Vario, um die Projektion von Anfang an in die richtige Position zu verweisen. »Versuche nicht erst, Parallelen zu konstruieren, wo keine existieren. Ich bin stofflich, du dagegen bist nur eine Aggregatform des Lichts.«
»Diese Feststellung begründest du auf nichts anderem als meiner Aussage«, bemerkte Stevenson lächelnd. »Hätte ich dich nicht aufgeklärt, würdest du mich weiterhin für einen Menschen halten.«
»Ich könnte jederzeit den Beweis antreten«, behauptete der Vario. »Ich brauche nur die Projektoren auszuschalten, dann würdest du erlöschen.«
»Eben nicht. Ich trage genug Energie in mir, um mich selbst zu erhalten, damit ich außerhalb der Gruft der Erkenntnis agieren kann. Ich bin in der Lage, dich überallhin zu begleiten, Vario. Oder ist es dir lieber, wenn ich dich in Anlehnung an deine augenblickliche Maske Henry nenne? Du kannst es dir aussuchen, denn du hast das Kommando. Nur will ich von vornherein klarstellen, dass ich mich von dir nicht herumstoßen lasse. Wir können nur auf der Basis von Teamgefährten zusammenarbeiten, denn ich bin dir, was die Fähigkeiten anbelangt, zumindest ebenbürtig.«
»Hättest du dich genauso aufgespielt, wenn Rhodan oder Tifflor in die Gruft gekommen wären?«, fragte der Vario.
»Dann wäre ich bedauerlicherweise gar nicht in Erscheinung getreten«, antwortete das Hologramm, das nach einem Schriftsteller des 19. Jahrhunderts benannt worden war. »Den anderen drei Auserwählten hätte ein Hologramm wie ich nur wenig nützen können, weil sie Menschen sind. Die Erbauer der Gruft haben mir kein Wissen darüber gegeben, welche Hilfestellung Perry Rhodan, Atlan oder Julian Tifflor bekommen hätten. Ich bin nur für einen Roboter wie dich der perfekte Partner.«
»Wie willst du mir dienen?«, erkundigte sich der Vario, dem die ausgeprägte Persönlichkeit des Hologramms Bewunderung abrang. Andererseits befürchtete er, dass daraus Schwierigkeiten entstehen konnten, denn er selbst fühlte und dachte ebenfalls wie ein Individuum – und das mit mehr Berechtigung, wie er
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