Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Befehl des Varios beruht. Aber eine Rückfrage bei der BAL-Flotte hat ergeben, dass wir das ursprüngliche Ziel anfliegen sollen.«
Die Flibustier antworteten nicht.
»Sie greifen tatsächlich den Vorschlag des Varios auf und bringen uns zu einer ihrer Stützpunktwelten, um uns erneut zu untersuchen«, sagte Markon Treffner dumpf, als sie zur KUREL-BAL zurückgeflogen wurden. »Ich will gar nicht daran denken, was sie mit uns anstellen werden, um unsere letzten Geheimnisse zu erfahren.«
»Noch besteht kein Grund, unsere Lage so düster zu sehen.« Der Ausdruck von Niedergeschlagenheit bröckelte von Simuddens Gesicht ab wie eine Maske. Er lächelte sogar.
»Woher dieser Optimismus?«, fragte Brak.
»Kayna und Brush wissen es«, antwortete der Akone. »Ihr anderen habt natürlich keine Ahnung, dass der Vario nicht allein an Bord der KUREL-BAL kam.«
»War ein zweiter Roboter da?«, rief Axe verständnislos.
»Uns ist auch nicht klar, ob es sich um einen Roboter wie den Vario handelte«, sagte Kayna Schatten. »Jedenfalls waren sie zu zweit – und die Orbiter haben nur einen von ihnen vernichtet.«
»Stimmt«, sagte die vertraute Stimme des Varios. Als die Flibustier in die Richtung blickten, aus der sie erklungen war, sahen sie zuerst den Ortungskopf aus einer Wandklappe auftauchen, dem der Eikörper mit den Teleskopgliedern folgte.
»Also doch zwei Varios!«, rief Treffner.
»Nein«, widersprach der Roboter. »Die Orbiter haben nur ein Hologramm vernichtet, das mein Aussehen angenommen hat.«
»Ich glaube nicht, dass die Orbiter auf ein Hologramm hereingefallen sein sollen«, sagte Körn Brak.
»Stevenson war ein Super-Hologramm. Er hatte zwar seine Schrullen, aber in letzter Konsequenz besann er sich auf seine Bestimmung und hat sich für mich geopfert.«
Der Vario schilderte in wenigen Sätzen, wie er von dem Hologramm matt gesetzt worden war. »Ich dachte, dass Stevenson völlig übergeschnappt sei«, fuhr er fort. »Aber nun hat sich herausgestellt, dass er mich nur ausgeschaltet hat, um meine Stelle einnehmen zu können.«
»Dieses Opfer wäre gar nicht notwendig gewesen, wenn Stevenson – das Hologramm – sich durch seine Eskapaden nicht in Widersprüche verstrickt hätte«, bemerkte Simudden. »Es hätte nicht zu dem Eklat kommen müssen.«
»Stevenson war schwer gestört«, stimmte der Vario zu. »Es war ein Fehler seiner Schöpfer, ihm ein derart ausgeprägtes menschliches Bewusstsein zu geben. Er war dem mit jedem Rollentausch verbundenen Persönlichkeitswechsel nicht gewachsen, sodass es zu einem Spaltungsirresein kam. Doch letztlich hat Stevenson die einzig richtige Konsequenz gezogen. Jetzt, da Derscht glaubt, mich vernichtet zu haben, kann ich mich völlig sicher fühlen. Das heißt ...«
»Von uns hast du nichts zu befürchten«, sagte Axe schnell und betastete sein geschwollenes Gesicht. »Ich mache nichts mehr auf eigene Faust, meine Lektion habe ich erhalten.«
»Für mich bleibt der bittere Beigeschmack, dass meine Kameraden mir misstraut haben«, sagte Treffner leicht verbittert, dann machte er jedoch eine wegwerfende Handbewegung und fügte hinzu: »Aber was soll's. Ich versuche, das zu vergessen.«
»Ich auch«, sagte Axe leise.
»Besteht die Aussicht, dass das Hologramm wiederkommt?«, fragte Simudden. »Ich meine, eine Projektion müsste aufs Neue entstehen können.«
»Stevenson nicht«, erklärte der Vario. »Seine Stärke war zugleich seine Achillesferse. Er konnte jedes Objekt so perfekt nachahmen, dass er so stark oder verletzlich wie dieses wurde, und ich bin eben nicht so unverwundbar, dass ich dem Dauerfeuer etlicher Kampfroboter standhalten könnte. Nein, Stevenson existiert nicht mehr; er hat sich geopfert, damit ich meine Mission beenden kann.«
»Sein Opfer scheint sich gelohnt zu haben«, kommentierte Kayna Schatten.
»Das allerdings. Wie die Dinge liegen, dürften wir mit der KUREL-BAL das angestrebte Ziel erreichen. Stevenson ist nicht umsonst gestorben.«
Es war unangebracht, in Zusammenhang mit dem Erlöschen eines Hologramms vom Sterben zu sprechen. Aber der Vario hatte Stevenson wie einen Menschen in Erinnerung.
»Nun kann nichts mehr passieren«, sagte er überzeugt.
Wie zum Hohn heulte der Alarm durch das Schiff.
30.
Kervin Huggest hatte sich vom Bordarzt der GULLIVER dazu überreden lassen, seine Kabine aufzusuchen. Doch obwohl er seit zwei Normtagen auf den Beinen war, fand er keinen Schlaf. Er war zu aufgewühlt, döste nur vor
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