Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Innerhalb kürzester Zeit hatte er das Mädchen eingeholt.
»Na?«, sagte sie spöttisch. »Ist alles wirklich so schlimm?«
Sie standen unter den breiten Blattwedeln eines Baumfarns, und vor ihnen lag ein geradezu unwirklich anmutender Wald. Das Licht wurde grünlich durch die vielen Blätter, und nirgends drang ein Sonnenstrahl hindurch. Es gab kein Unterholz, keine Blumen, nur dicke Moospolster bedeckten den Boden, und aus ihnen heraus wuchsen unüberschaubare Mengen kleiner, intensiv gelber Pilze.
»Ich sehe keine Tiere«, flüsterte Kert.
»Vielleicht gibt es hier gar keine«, sagte Leevina vergnügt.
»Aber von der Station aus ...«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass diese Kerle uns angelogen haben? Wahrscheinlich haben sie das ganze Ungeziefer selbst gezüchtet und um die Station herum freigelassen. Wir sollen glauben, dass der Dschungel gefährlich ist.«
Kert schwieg dazu. Allerdings legte er verstohlen die rechte Hand auf den Griff der Waffe.
»Los, du Hasenfuß!«, bestimmte Leevina.
Der Junge setzte sich gehorsam in Bewegung, blieb aber etwas hinter Leevina. Auch als sie beide nach etwa zehn Minuten immer noch durch diesen eigenartig stillen Wald liefen, ließ er sich nicht von dieser einfachsten aller Vorsichtsmaßregeln abbringen.
»Was mag da vorhin so geschrien haben?«, rief er Leevina zu. »Diese Laute kamen eindeutig aus dem Dschungel. Die Tiere können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«
»Das brauchten sie auch nicht«, behauptete das Mädchen selbstsicher. »Es gibt nur ihre Stimmen, und die kommen aus Lautsprecherfeldern irgendwo am Waldrand.«
Kert ließ sich von diesen Argumenten einfangen. Seine Sprünge wurden weiter, seine Bewegungen unbeschwerter. Wie hätte er ahnen sollen, dass die Tiere sehr wohl existierten und sich nur tarnten, sobald jemand aus der Station ins Freie trat? Die Androiden mit ihren schweren Strahlwaffen hatten den Bestien Respekt beigebracht.
Zur selben Zeit meldete sich bei Alurus ein Androide, der überaus unglücklich wirkte.
»Was willst du?«, fragte Alurus grob.
»Ich muss dir etwas erklären ...« Der Androide haspelte eilig die Geschichte von den beiden Kindern herunter, denen er beim Spiel geholfen hatte.
Alurus antwortete nicht. Er saß wie gelähmt da und dachte fieberhaft nach. »Beschreibe mir die Kinder!«, sagte er, obwohl er schon zu wissen glaubte, wer die Übeltäter waren.
Der Androide war offensichtlich völlig mit den Nerven am Ende. Er mochte bereits begriffen haben, dass er einen gravierenden Fehler begangen hatte, doch seine Fantasie reichte nicht aus, dass er sich die Folgen eines solchen Vorfalls auszumalen vermochte.
Alurus nickte schließlich und gebot dem Androiden mit einer knappen Geste zu schweigen.
Kert Davort und Leevina Worsov – war es Zufall, dass Denver ihn vor diesen beiden gewarnt hatte?
»Geh und hole den Jungen namens Denver!«, befahl Alurus grob.
Der Androide rührte sich nicht.
»Was willst du?«, fragte Alurus unwillig. »Worauf wartest du noch?«
»Ich verdiene Strafe, Herr«, murmelte der Androide schuldbewusst.
»Du hast nur Befehle befolgt, sonst nichts«, sagte Alurus grimmig. »Ich hätte von Anfang an besser aufpassen müssen. Nicht du verdienst die Strafe, sondern ich selbst habe einen schlimmen Fehler begangen. Geh endlich und bringe Denver zu mir!«
Der Androide schlich davon. Alurus holte die Meldungen der anderen ein und erfuhr, dass die Suche nach der gestohlenen Waffe bisher nicht zum Erfolg geführt hatte. »Ich weiß jetzt, welche Kinder die Waffe bei sich haben«, erklärte er. »Seht zu, dass ihr Kert Davort und Leevina Worsov findet.«
Der Androide kam mit Denver zurück.
»Hast du inzwischen noch einmal mit Bobby gesprochen?«, fragte Alurus.
»Ich habe es versucht. Aber er will mit niemandem reden. Nicht einmal mit Saja spricht er noch.«
»Er muss wissen, was die beiden vorhaben«, überlegte Alurus. »Aber er schweigt, weil er Angst hat. – Noch etwas: Kert und Leevina haben eine Waffe.«
Denver zuckte heftig zusammen. Er sah den kleinen Mann fassungslos an.
»Sie haben einen Androiden übertölpelt«, erklärte Alurus ungerührt. »Er verhalf ihnen zu der Möglichkeit, einen Strahler zu stehlen. Die Kapazität der Waffe ist nicht sehr hoch. Den Stützpunkt können sie damit nicht gefährden, aber durchaus jemanden töten. Gesetzt den Fall, sie haben den Strahler gestohlen, weil sie jemanden umbringen wollen – auf wen hätten sie es deiner Meinung
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