Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Schrank zu. Im untersten Fach saß zusammengekauert einer von den ganz Kleinen, ein Junge namens Bergos, ein harmloses, kleines Kerlchen, das des Öfteren zum Opfer derartiger Streiche gemacht wurde.
»Du kannst herauskommen«, sagte Alurus sanft. »Der Androide ist weg, ich habe ihn zu den Schleusen geschickt. Er wollte dir nicht wehtun. Komm heraus, mein Kleiner.«
Bergos drehte sich mühsam um und krabbelte eilig nach draußen. Er klammerte sich so plötzlich an Alurus, dass der Befehlshaber dieser Station an einen drohenden Überfall dachte. Gerade noch im letzten Moment unterdrückte Alurus den Impuls, den kleinen Jungen zurückzustoßen. Bergos presste sich an ihn und weinte vor Erleichterung. Alurus legte sanft die Arme um den schmalen Körper des kleinen Terraners und drehte sich zu den drei anderen um.
»Was habt ihr da wieder angestellt?«, fragte er.
»Wir können nichts dafür«, beteuerte das älteste Kind, ein braunäugiges Mädchen. »Er wollte Verstecken spielen, aber wir sollten ihn immerzu suchen. Es macht keinen Spaß auf diese Weise. Immer nur suchen! Da kam der Blechmann vorbei. Wir haben Bergos gesagt, dass er sich verstecken soll, und dann haben wir den Blechmann gerufen und ihn gefragt, ob er mit uns spielen kann. Das war alles.«
»O nein«, sagte Alurus fest. »Der Androide hätte in diesem Fall nur die Tür geöffnet, und das Spiel wäre beendet gewesen. Was habt ihr ihm noch erzählt?«
»Dass es zum Spiel gehört, Bergos da herauszuholen«, gab das Mädchen widerstrebend zu. »Wir haben es ihm vorgemacht.«
Alurus nickte nachdenklich.
»Ihr habt eine Menge Unheil angerichtet«, sagte er leise. »Ihr habt diesem Jungen einen fürchterlichen Schrecken eingejagt. Begreift ihr überhaupt, was das bedeutet? Bergos ist ein Mensch wie ihr. Wie könnt ihr ihm wehtun? Aber das ist nur ein Punkt. Ihr nennt den Androiden einen Blechmann, und das ist falsch. Er ist kein Roboter, sondern ein lebendes Wesen, das sich die größte Mühe gibt, seine Aufgaben zu erfüllen. Ich habe den Androiden den Befehl gegeben, dass sie auf alles eingehen sollen, was ihr verlangt – doch was tut ihr? Ihr missbraucht die Macht, die ihr auf diese Weise ausüben könnt. Der Androide weiß jetzt, dass er einen Fehler gemacht hat, aber er versteht nicht, wieso. Er wäre niemals fähig, ein Wesen zu belügen oder ihm Schaden zuzufügen.«
Die beiden jüngeren Kinder waren durch Alurus' Ausführungen überfordert, das war ihnen anzumerken. Das ältere Mädchen jedoch hatte aufmerksam zugehört.
»Du lügst!«, sagte es hasserfüllt. »Die Androiden haben uns von zu Hause weggeholt.«
Bergos löste sich von Alurus, sah zu dem fremden Mann hinauf und plapperte nach: »Weggeholt!«
Alurus wandte sich ab und ergriff die Flucht. Warum?, fragte er sich. Warum musste ausgerechnet er diesen Auftrag bekommen? Konnten die Kosmokraten sich nicht etwas anderes einfallen lassen, um die Menschheit zu retten, wenn sie schon so großen Wert darauf legten, dies zu tun?
Sie hatten eine Materiequelle manipuliert. Das war unbedingt notwendig, wie sie behaupteten, denn es gab ein Sporenschiff namens PAN-THAU-RA, das samt seiner vollen Ladung von On- und Noon-Quanten der Kontrolle der Kosmokraten entglitten war. Alurus wusste – weil es zu den Kenntnissen gehörte, die er für diese Mission benötigte – genug über solche Quanten, um die Gefahr zumindest zu erahnen, die diesem Abschnitt des Universums drohte. Wenn die Lebenseinheiten in falsche Hände gerieten oder sich unkontrolliert verbreiteten, was auf dasselbe hinauslief, bedeutete das eine unabsehbare Katastrophe.
Falls die Quanten entkamen und sich ausbreiteten – was sie mit absoluter Sicherheit sofort tun würden –, konnte das zur tödlichen Gefahr für alles Leben in diesem Bereich des Universums werden. Und wenn die Kosmokraten die Materiequelle manipulierten, kam genau dasselbe Ergebnis dabei heraus. Allein die Weltraumbeben, von der manipulierten Quelle ausgelöst, würden unter Umständen das Ende zahlreicher Völker bedeuten.
Es stand ihm nicht zu, die Entscheidungen der Kosmokraten zu kritisieren; Alurus war auch weit von solcher Blasphemie entfernt. Aber er bemühte sich nunmehr seit einem halben terranischen Jahr, die Kinder so zu manipulieren, dass sie in naher Zukunft ihre Rolle als Retter der Menschheit übernehmen konnten. Was er im ersten Eifer des Gefechts für eine große und schöne Aufgabe gehalten hatte, entpuppte sich immer mehr als Albtraum, und
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