Silberband 114 - Die Sporenschiffe
Geschmack.«
Tschan blieb stehen und schien nachzudenken.
»Manchmal glaube ich auch, dass das so ist«, gestand er schließlich ein. »Vielleicht hätte ich keine Familie zusammenkaufen sollen. Wenn ich jedoch einmal sterbe, möchte ich es mit der Überzeugung tun, Entscheidendes erreicht zu haben. Ich will, dass etwas in diesem Universum meinen Stempel trägt.«
»Er ist nicht dein richtiger Sohn.«
»Er wird, wenn unser Plan gelingt, das sein, was ich will, dass er sein wird. Das allein ist entscheidend.«
Tschan wartete die Antwort der Yardahanada nicht ab, sondern ging dorthin, wo der Kitter sich gerade wieder aufrichtete und eine stabile Form annahm. Soono hatte sich niedergelassen und schlief; Eltariccer oblag die erste Wache.
Der Aufklärer glättete die Flügel und scharrte über den Boden, bis er rau war und einen ordentlichen Halt bot. Dann steckte er den Kopf unter eine Schwinge und ließ seine Gedanken treiben.
»Wach auf!«, hörte er die harte Stimme der Yardahanada.
Er hob den Kopf und sah sie hoch aufgerichtet vor sich stehen.
»Ich war noch nicht eingeschlafen«, sagte er. »Ich habe lediglich gedöst.«
»Es ist möglich, dass Lussmann in der Nacht ein Feuer macht«, sagte sie.
»Ich verstehe«, entgegnete Angdröhm. »Ich werde mehrere Runden drehen und versuchen festzustellen, wo seine Position ist. Dann können wir morgen geradewegs darauf zumarschieren.«
»Ja«, nickte sie. »Nun flieg schon.«
Angdröhm schwang sich in die hereinbrechende Dunkelheit. Am Himmel von Ölskoll standen ein paar blasse Sterne. Irgendwo zirpten Nachttiere. Der Aufklärer jagte nach Westen, wo ein schwarzer Streifen gerade noch die Grenze zwischen Wald und Ebene markierte.
Es war ein einsamer Flug, aber die Luft war abgekühlt und tat gut.
Angdröhms Gedanken schweiften ab. Er wusste, dass ihm in der Höhe kaum Gefahr drohte. Er versuchte sich vorzustellen, wie Tschan und die Wunschmutter vor Lussmann traten und das Unvorstellbare forderten.
Ein wenig war Angdröhm schon stolz darauf, dass er einer Familie angehörte, die den Mut für ein solches Unternehmen aufbrachte.
Der Sikr
Der Sumpf besaß eine eigene Stimme, geboren aus vielen tausend Einzelstimmen. Sie erhob sich besonders des Nachts und erstarb in den heißen Nachmittagsstunden fast zu völligem Schweigen. Die Stimme des Sumpfes war Lussmann so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er nach ihrem Rhythmus lebte und jede noch so winzige Veränderung perfekt registrierte.
Als die erwarteten Besucher an diesem Nachmittag in den Sumpf eindrangen, erstarb dessen leise gewordene Stimme, wurde aber nach einem kurzen Atemholen in einer für diese Tageszeit ungewöhnlichen Lautstärke wieder hörbar. Protest und Warnung zugleich signalisierten Lussmann, dass die Besucher seinen Aufenthaltsort gefunden hatten.
Der Sterneneremit hockte neben dem Wasserloch im Schatten einer Riesendistel und beobachtete zwei Papageien. Tagsüber war er so sehr Lussmann, dass er seinen zweiten Namen beinahe schon vergaß. Marifat war er in der Nacht, wenn die kausale Welt transparent erschien und den Blick in die unfassbare Welt des Nichtstofflichen freigab. Früher hatte Lussmann geglaubt, alle Lebewesen seien im Besitz dieser Fähigkeit, aber inzwischen wusste er, dass sie ein kostbarer Schatz war, über den außer ihm nur noch zwei andere Intelligenzen im bekannten Teil von Norgan-Tur verfügten.
Nach allem, was er über die Besucher wusste, handelte es sich um eine siebenköpfige Bande von Barbaren. Ihm war schon vorab bewusst, dass sie ihn langweilen würden.
Die Stimme des Sumpfes beschrieb den Weg, den die Eindringlinge nahmen, und die plumpe Art ihres Vorgehens ärgerte Lussmann. Er stand auf, entkorkte einen der herabhängenden hohlen Äste und schlürfte ihn leer. Danach schaute er an sich hinab und lächelte; er sah alles andere als beeindruckend aus. Sein brauner Pelz war schlammverkrustet. Um den Hüftansatz trug er einen abgewetzten Ledergürtel, in dem mit Humus gefüllte Kartuschen steckten. Vierfarbige Nelken wuchsen darin, sie umgaben seinen Bauch wie ein Kranz. Seine von Zecken zerstochenen Füße waren geschwollen und mit Lumpen umwickelt. Den rechten Arm hatte er mit einem Blätterverband bandagiert, um die Infektion der Bisswunde zu vermeiden, die ihm eine Sumpfratte zugefügt hatte. Der Pelz in seinem Gesicht und auf dem Kopf war zerzaust und teilweise herausgerissen; trockenes Blut und tiefe Narben verunstalteten sein plattes
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