Silberband 114 - Die Sporenschiffe
oder nicht.«
»Ich werde ihn finden«, erklärte Angdröhm zuversichtlich.
Tschan senkte die Stimme, sein Tonfall wurde vertraulicher. »Was hältst du überhaupt von der ganzen Sache?«
Die Tatsache, dass das Familienoberhaupt ihn in einer so wichtigen Angelegenheit um Rat fragte, bestürzte Angdröhm. Sie warf ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen dem Familienoberhaupt und der Wunschmutter. Offensichtlich diktierte die Yardahanada die Geschehnisse bereits stärker, als allen anderen bewusst war.
»Ich denke so darüber wie die ganze Familie«, antwortete Angdröhm ausweichend.
»Eine Marktfamilie!« Zum ersten Mal sprach Tschan verächtlich über seine Angehörigen.
»Ich wurde ebenfalls gekauft«, erinnerte Angdröhm sein Gegenüber ruhig.
Tschan spürte, dass er zu weit gegangen war, und entschuldigte sich. »Der Gedanke, dass wir bald mit dem Sikr zusammentreffen werden, macht mich nervös«, gestand er. »Vielleicht erhoffen wir uns ein bisschen zu viel von Marifat.«
Marifat war Lussmanns zweiter Name, sein Geistername, wie es im Sprachgebrauch der Sikr hieß.
»Komm her!« Die Yardahanada störte jäh das Gespräch der beiden männlichen Familienmitglieder.
Tschan zuckte zusammen. Zorn erschien in seinem Blick, aber er machte eine abrupte Kehrtwendung, ließ Angdröhm stehen und näherte sich dem Lager. Der Aufklärer folgte ihm in respektvollem Abstand. Näher als bis auf zehn Schritte durfte er ohnehin nicht an das Lager heran. Trotzdem konnte er hören, was Tschan und die Yardahanada besprachen.
Die Wunschmutter war eine knochige und hässliche Frau. Ihr Gesicht war spitz, nicht einmal die kleinen gelben Augen konnten ihm einen sanfteren Ausdruck verleihen. Das Alter der Yardahanada war schwer zu bestimmen, aber sie war mindestens doppelt so alt wie Tschan. Wahrscheinlich hatte Tschan noch nie körperlichen Kontakt zu ihr gehabt – dafür hatte er den Wandelbaren –, und es blieb eines seiner großen Geheimnisse, warum seine Wahl auf sie gefallen war. Der Wert dieser Yardahanada bestand in ihrem Wissen und ihrer Erfahrung. Vermutlich hätte man auf Gry jahrelang suchen müssen, um eine in dieser Beziehung vergleichbare Wunschmutter zu finden.
»Er ist müde und erschöpft«, sagte sie zu Tschan, und es gab keinen Zweifel, dass sie von Harden Coonor sprach. Ihr Denken und ihr Tun drehten sich ausschließlich um das Baby. Sie kümmerte sich mit einer solchen Intensität darum, als wollte sie ihr eigenes Selbst aufgeben.
»Jeder von uns wusste, dass es eine strapaziöse Reise sein würde«, versetzte Tschan, halb erklärend, halb entschuldigend.
»Wir sind nicht gut vorbereitet!«
»Wir sind so gut vorbereitet, wie meine finanziellen Mittel es zuließen.«
Die Yardahanada beugte sich über den offenen Korb. Das Baby war ruhig, wahrscheinlich war es von der Hitze so müde geworden, dass ihm sogar das Schreien schwerfiel.
»Im Wald wird es angenehmer für ihn sein«, sagte Tschan.
»Bei Stechmücken, Sumpfschlangen und Giftpflanzen?«
»Es wird nicht so heiß sein«, schwächte Tschan ab.
Er trat neben die Wunschmutter und blickte in den Korb. Angdröhm, der von Natur aus ein überaus scharfer Beobachter war, hatte den Eindruck, dass das Familienoberhaupt sich straffte. Tschan sah sehr stolz aus in diesem Moment. Etwas an dem Baby betrachtete er als einen Teil seiner selbst, obwohl alles, was er in Harden Coonor investiert hatte, materieller Natur war. Zu mehr war Tschan vermutlich auch nicht fähig.
»Wird der Sikr auch unseren Wünschen entsprechen?« Die Stimme der Yardahanada bekam einen sorgenvollen Unterton.
Tschan hob die Schultern. »Er ist neutral und kennt keinerlei Skrupel.«
»Aber er soll launenhaft sein.«
»Nun ja, man erzählt viel über ihn. Es ist doch sinnlos, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Wir werden genau wissen, wie er ist, sobald wir mit ihm gesprochen haben.«
Die Yardahanada krümmte sich zusammen. »Wenn ich bedenke, dass vielleicht alles umsonst sein wird ...«
»Auch damit müssten wir uns abfinden.«
Sie starrte das Familienoberhaupt an. »Der Junge trägt mein Blut, vergiss das nicht. Ich könnte mich niemals damit abfinden, dass er in die Durchschnittlichkeit versinkt. Er soll einmal etwas Besonderes sein, etwas ganz Besonderes.«
Tschan seufzte und bewegte sich vom Korb weg.
»Du gehst zu Kitter«, erriet sie.
»Ja«, gab er zu.
»Außer Geld besitzt du nichts«, sagte sie voller Abscheu. »Du hast nicht einmal guten
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