Silberband 114 - Die Sporenschiffe
ich dir, und ich wünschte, du würdest mit mir kommen.«
»Ich werde Schusc ebenfalls verlassen, irgendwann in der Nacht – als Marifat.«
Er stand auf. Sie umarmten sich. Danach ergriff Samkar sein Bündel und ging, ohne sich nur ein einziges Mal umzudrehen. Lussmann schaute ihm nach, wie er kleiner und kleiner wurde, bis er nur noch ein dunkler Punkt war. Dann verschwand auch der Punkt.
Der Sikr schaukelte hin und her, sodass die leeren Kartuschen in seinem Ledergürtel leise gegeneinanderklirrten. Die Nelken, die er einst gezüchtet hatte, waren bereits vor vielen Jahren eingegangen.
Auf seinem Weg zum Raumhafen kam Samkar am späten Abend am Wrack des Müllschiffs vorbei. Im Halbdunkel wirkten die Trümmer wie das Gerippe eines verendeten Riesentiers. Die Raumfahrer hatten nach einiger Zeit Sterilglasur über den gesamten Platz gesprüht, und sie würde ihre Wirkung auch in hundert Jahren noch tun, obwohl es sinnlos war. Die Schutzmaßnahme war viel zu spät gekommen. Immerhin verdankte Samkar es dieser Glasur, dass er ohne Gefahr für seine Gesundheit so dicht am Wrack vorbeiziehen konnte.
Entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben rastete Samkar nicht, sondern ging die gesamte Nacht hindurch weiter. Schon am nächsten Morgen erreichte er deshalb den Raumhafen der Gilde. Bereits der erste Blick verriet, dass der Hafen verlassen war und nur mehr selten Raumschiffe landeten und starteten. Es gab längst kein Personal mehr, sondern nur noch eine aus vier Mitgliedern bestehende Roboterwartungsmannschaft. Die ungepflegten Gebäude zerfielen bereits.
Die Roboter kümmerten sich nicht um den einsamen Besucher, und Samkar ging ihnen aus dem Weg, denn er wusste nicht, wie solche veralteten Maschinen reagierten. Solange er bei Lussmann gelebt hatte, war er immer wieder von Neugierde getrieben worden, den Raumhafen zu besuchen, denn die Monitoren des Sikr funktionierten schon lange nicht mehr. Angesichts der Realitäten erschien ihm sein Interesse geradezu lächerlich, und er wunderte sich nicht mehr, dass Lussmann einen Besuch dieses Ortes stets als überflüssig erachtet hatte. Es war nicht einmal die Mühe wert, die einzelnen Gebäude zu durchsuchen. Früher, als Schusc noch fester Gildenstützpunkt gewesen war, hätte es hier sicher viele interessante Dinge zu besichtigen gegeben.
Immerhin stand vor dem Gebäude ein funktionierender Automat, der seinen Inhalt auch ohne Geld preisgab, als Samkar mit dem Fuß dagegen trat. So gelangte er in den Besitz gut vierzig Jahre alter Süßigkeiten und Pressemitteilungen.
Am Nachmittag ertönte ein Klirren in der schwülen Luft. Vom Himmel herab senkte sich eine gewaltige Röhre, aus der mehrere Kuppeln und Antennen ragten. In der Mitte des Schiffes prangte das Emblem der Gilde, ein Ring aus acht Planeten um eine strahlende Sonne.
Samkar trat auf das Landefeld hinaus. Die Wartungsroboter rasten mit einem Montagewagen quer über den Platz auf die vermutete Landestelle zu. Es staubte, als das Schiff aufsetzte, und der Boden wurde von einer leichten Erschütterung durchlaufen. Samkar schirmte seine Augen mit der flachen Hand gegen die Sonne ab und beobachtete die Vorgänge beim Schiff. Bordeigene Roboter stiegen aus und vertrieben die vier Maschinen, die soeben mit der Wartung beginnen wollten. Das Vertrauen der Besatzung in die Anlage von Schusc war demnach alles andere als groß.
Über einem Schleusentor las Samkar den Namen des Schiffes: ZIRKOR. Genau dieses Tor öffnete sich ein paar Minuten später und gab den Blick auf drei Gestalten in roten Schutzanzügen frei. Samkar wunderte sich nicht, dass die Raumfahrer ihre Helme geschlossen ließen, als sie in einer gravitationslosen Zone nach unten schwebten. Er ging ihnen entgegen.
Jeder der drei war gut zwei Köpfe kleiner als Samkar. Das erstaunte den jungen Mann, denn er hatte oft gehört, dass langer Aufenthalt im Weltraum von Kindheit an den Riesenwuchs förderte. Aber auch bei der Gilde gab es Wesen verschiedener Abstammung, und vielleicht fügte es der Zufall, dass er von einer Zwergenart abgeholt wurde.
Einer der Ankömmlinge erwies sich durch sein Gebaren und sein herrisches Auftreten als der Kommandant. Er war es auch, der sich an Samkar wandte und fragte: »Sind Sie der Passagier Samkar?«
Die Frage war alles andere als originell, fand Samkar. Trotzdem lächelte er und nickte. Unter den Helmen sah er die knochigen Gesichter der Gildenmitglieder. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die Brauen waren dicke,
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