Silberband 114 - Die Sporenschiffe
davon.
29.
Versuchung
Jen Salik erhielt sehr selten Besuch, deshalb war die Tatsache, dass der alte Kanika und sein Schwiegersohn sich persönlich in seine Wohnzelle bemühten, eine kleine Sensation. Allerdings hatte Salik gelernt, die Dinge von einer anderen Warte aus zu beurteilen, sodass man fast davon ausgehen konnte, dass er mit dem Kommen der beiden gerechnet hatte.
Kanika war völlig außer Atem und ließ sich auf den erstbesten Stuhl fallen.
Erst danach sah er sich um. Dabei zwirbelte er seinen schlohweißen Oberlippenbart. Seine Augenlider hingen tief herab. Als er noch jung gewesen war, hatte ihm das vermutlich einen listigen Ausdruck verliehen – nun wirkte er bestenfalls müde.
Kells blieb wie ein Leibwächter neben der Tür stehen. Seine Haltung vermittelte den Eindruck, dass er mit dieser Situation nicht einverstanden war.
»Glauben Sie bitte nicht, dass ich Sie kontrollieren will, Salik«, sagte Kanika, als er wieder Luft bekam. »Aber Sie sehen nicht sehr krank aus.«
»Es geht mir besser«, erwiderte Salik kühl.
Er wunderte sich, wie wenig ihn dieser Besuch innerlich berührte. Noch vor wenigen Wochen hätte er darauf mit Herzklopfen und schweißnassen Händen reagiert.
Kanika hob die Lider, sein Blick bekam etwas von jener Schärfe, die man früher an ihm gefürchtet hatte.
»Das bedeutet, dass Sie bald zurückkommen werden?«
Mein Gott!, schoss es Salik durch den Kopf. Darüber habe ich in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr nachgedacht. Er erkannte, dass die Firma R. Kanika & Co. für ihn ein abgeschlossenes Kapitel war, eine Episode aus der Vergangenheit.
»Wenn ich zurückkomme, dann sicher nur noch für einige Wochen«, antwortete er gedehnt. »Ich werde meine Arbeiten bei Ihnen abschließen und kündigen. Das halte ich für korrekt.«
Tager Kells machte einen Schritt ins Zimmer hinein und wollte etwas sagen, aber der Alte brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen.
»Sie haben sich verändert, Salik«, stellte Kanika fest. »Entweder haben Sie uns jahrelang mit Geschick den kleinen Laboranten vorgespielt, oder Sie sind eine Art Spätzünder, ein verspätetes Genie.«
Salik lächelte. »Spätzünder ist eine sehr gute Bezeichnung.«
»Also – was ist los mit Ihnen?«, fragte Kanika grob.
Salik starrte an ihm vorbei ins Leere. »Wenn ich das wüsste ...«, murmelte er.
Seine Besucher wechselten einen bedeutsamen Blick.
»Ich bin Geschäftsmann und sehr erfolgreich, wie Sie wissen.« Kanika streckte beide Beine von sich. »Kells hat mich neugierig auf Sie gemacht, nach Ihren letzten Erfolgen in der Firma war das nicht schwer. Ihre Krankheit veranlasste mich schließlich zu Nachforschungen, und dabei habe ich herausgefunden, dass Sie auch andernorts manches geleistet haben.«
Was kann er schon wissen?, fragte sich Salik. »Ja«, sagte er. »Und?«
»Die wertvollsten Informationen stammen von einem Mann namens Nilson. Er ist Buchhändler, glaube ich.«
»Wir sind ziemlich sicher, dass sie ein positiver Mutant sind!«, warf Kells erregt ein.
Für Salik kam das so überraschend, dass er zunächst überhaupt nicht darauf reagierte. Irgendjemand, sagte er sich, hatte früher oder später auf diese absurde Idee kommen müssen. Er musste lachen.
»Es stimmt also?« Kells zog einen falschen Schluss.
Kanika winkte ab. »Nein, es stimmt nicht«, gab er selbst zur Antwort. »Es ist anders. Ich habe von Anfang an nicht an diesen übersinnlichen Quatsch geglaubt, und ich bin auch jetzt nicht dazu bereit. Es mag sein, dass Salik ein Medium ist, aber es gibt sicher eine ganz einfache Erklärung dafür, wie er zu seinem genialen Wissen und zu seinen Fähigkeiten gelangt. Eine technische Erklärung.«
»Und wie könnte die aussehen?«, fragte Salik interessiert.
»Ich bin nicht fantasielos.« Kanika strich seinen Bart glatt. »Stellen wir uns eine Sonde eines uralten raumfahrenden Volkes vor, die von irgendwoher bis zum Solsystem vorgestoßen ist. Durch Zufall oder Manipulation von außen hat Salik Zugang zum gespeicherten Wissen dieser Sonde erhalten.«
»Das ist ja prächtig«, meinte Salik.
»Ich glaube nicht wirklich, dass es so ist«, erklärte Kanika ärgerlich. »Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass wir uns nicht auf diesen übersinnlichen Kram konzentrieren sollten.«
»Sag ihm, wozu wir hier sind!«, forderte Kells seinen Schwiegervater auf.
Kanika sah Salik von unten herauf an. »Jemand, der solche Fähigkeiten hat wie Sie, könnte leicht
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